Faye Webster – „I Know I’m Funny Haha“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „I Know I'm Funny Haha“ von Faye Webster, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Faye Webster – „I Know I’m Funny Haha“ (Secretly Canadian)

Selbstironie ist ein mächtiges Werkzeug. Sie ermöglicht es, menschliche Unsicherheit auf elegante Art und Weise in Humor zu verwandeln. Ein selbstironischer Mensch wirkt nicht unsicher, sondern bescheiden. Mit feinem Spott auf eigene Kosten schafft er Abstand, sowohl zum Gegenüber als auch zu den eigenen Gefühlen. Ein bezeichnender englischer Begriff für Selbstironie ist „self-deprecation“, was auch mit Selbsterniedrigung übersetzt werden kann. Über die Gefahr hinter diesem Verhaltensmuster sprach bereits 2018 die australische Stand-up-Komikerin Hannah Gadsby in ihrer preisgekrönten Show „Nanette“: „Für mich ist das keine Bescheidenheit. Es ist Erniedrigung. Ich muss mich selbst klein machen, um sprechen zu können.“

Auch Faye Webster weiß um die Macht der Selbstironie. Das nun erscheinende vierte Album der Singer-Songwriterin aus Atlanta trägt die humoristische Selbsterniedrigung direkt im Titel: „I Know I’m Funny Haha“. Die Betonung scheint auf dem nachgeschobenen, nervösen „Haha“ zu liegen. Im Kontrast zum unsicheren Titel steht die tatsächliche LP – ehrlich und gänzlich unironisch.

Webster startete ihre Karriere im Jahr 2013. Im maximal unsicheren Alter von nur 16 Jahren veröffentlichte sie ihr Debüt „Run And Tell“. Ihre musikalische Formel ist seitdem relativ gleich geblieben. Das erste Wort, das beim Hören von Websters Musik in den Kopf kommt, wirkt direkt wieder wie ein ironisches Halb-Kompliment. Ihre Songs klingen einfach wahnsinnig angenehm. Eine glänzende Mischung aus Laurel-Canyon-Folk, Country und R&B, in der jede Snare, jede Slide-Gitarre, jeder Tupfer aus dem Rhodes-Piano wie ein warmer Luftzug anmutet. Im Zentrum dieser ultimativen Wohlfühlmusik steht Websters Stimme, die sich durch ein sanftes Vibrato und lakonische Texte auszeichnet.

Hinter der Selbstironie

Auch auf „I Know I’m Funny Haha“ sind die Instrumentals gewohnt harmonisch. Das Piano im Opener „Better Distractions“ und die Flamenco-Gitarre in „In A Good Way“ klimpern lieblich. Die Slide-Gitarre im Titeltrack klingt in etwa so, wie eine Cumulus-Wolke vor blauem Himmel aussieht. Die Saxofone in „A Dream With A Baseball Player“ streicheln das Trommelfell. Und auch die verzerrten Gitarren in „Cheers“ wirken mehr warm als aggressiv.

Was sich verändert hat: die Lakonie. Webster war, nach eigener Aussage, im Aufnahmeprozess von „I Know I’m Funny Haha“ deutlich glücklicher als bei den Vorgängerplatten. Was nicht heißt, dass das hier eine Bubblegum-Pop-Platte ist – eines der konstanten Themen der LP ist Einsamkeit. Doch Webster verarbeitet dieses Gefühl mit sehr ehrlichen Worten: „I’m loneliest at night / After my shower beer“, singt sie in „Both All Of The Time“. „And I’ll go to sleep without turning out the lights / Pretend like somebodies here.“ „I Know I’m Funny Haha“ ist ein berührendes Album, erst einmal wegen der musikalischen Schönheit, aber vor allem wegen der kraftvollen, direkten Worte. Anstatt sich klein zu machen, stellt Webster sich ihren Ängsten und Unsicherheiten. Und das ohne ironischen doppelten Boden.

Veröffentlichung: 25. Juni 2021
Label: Secretly Canadian

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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