Enny – „We Go Again“ (Rezension)

Cover der EP „We Go Again“ von Enny

Enny – „We Go Again“ (Famm)

7,6

Eigentlich hatte Enny nie wieder ein „Projekt“ im Sinne einer Songsammlung veröffentlichen wollen. Denn nachdem die Londoner Rapperin 2021 ihre Debüt-EP „Under Twenty Five“ herausgebracht hatte, befand sie, dass sie mit den Songs darauf eigentlich schon alles gesagt hatte, was ihr auf den Nägeln brannte. Natürlich spricht es für ihre künstlerische Integrität, wenn sie das Rappen nicht als freudlosen Brotjob verfolgen möchte. Und natürlich wäre das nach ihrem beeindruckenden Aufstieg von einer Youtube-Freestylerin zum von Jorja Smith protegierten Hit-Act („Peng Black Girls“) auch schade gewesen. Aber wenn die Geschichte auserzählt ist, bringen uninspirierte Fortsetzungen niemandem etwas. Zwar wollte sie das Mikro nicht gänzlich an den Nagel hängen, aber ihre Autobiografie hatte sie eben schon geliefert. Denn „Under Twenty Five“ war ihre Bestandsaufnahme nach einem Vierteljahrhundert auf dem Planeten; dessen, was sie geglaubt hatte, erreichen zu müssen. Und davon, wie ihr Leben in Wirklichkeit aussah.

Eine ständige Reise

Glücklicherweise blieb sie nach der EP dennoch dem Studio nicht fern. Über den Zeitraum von 18 Monaten nahm sie ohne größeres Ziel vor Augen scheinbar unzusammenhängende Stücke auf. Zwar seien die Songs verstreut in „willkürlichen Sessions“ entstanden, sagt Enny, aber das Leben habe sie in ein Geschenk verwandelt. „Ein Geschenk des Wachstums und der Veränderung; ein Geschenk an mich selbst, um mich daran zu erinnern, dass ich es noch drauf habe, und ein Geschenk an die Menschen, die mich bisher auf dieser Reise begleitet haben. Ein Carepaket.“ Ein Carepaket, das nicht nur zu ihrer Community in Süd-London spricht, die aber besonders stark unter der konservativen Regierung leidet. Dass es ihr nach ihren Erfolgen finanziell besser geht als vor ein paar Jahren, ist ihr dabei durchaus bewusst. Selbstironisch betitelte sie daher einen der neuen Songs mit „Champagne Problems“. Doch Sexismus im Rap-Game und eine wachsende soziale Kluft macht auch der beste Schaumwein nicht weniger schlimm.

Ein Schlüsseltrack auf „We Go Again“ widmet sich wiederum Männern, die ihr das Leben schwer machen. Denn nicht nur verfügt „No More Naija Men“ über den größten Hit-Appeal; der Song war es auch, der Enny aus der Schreibblockade hievte, die sie Ende 2021 befallen hatte. Als der Producer Emil ihr sein minimalistisches und zugleich fast jazziges Afrobeats-Instrumental vorspielte, platzte der Knoten: „Ich hörte diese wunderschönen Bongo-Trommeln begleitet von vier einfachen Akkorden. […] Der Kopf wippte und das Schreiben begann.“ Wie schon auf der ersten EP meidet Enny trendy Beats und Sounds von der Stange. „Champagne Problems“ etwa klingt wie UK-Drill mit entspanntem Kontrabass statt würgender 808. Worauf man erst einmal kommen muss. Überhaupt dominiert ein eher leiser, souliger und jazzaffiner Vibe das Projekt. So bildet das Duett „Take It Slow“ mit Loyle Carner einen passenden Abschluss einer unaufgeregten Veröffentlichung über Ennys Einsicht, dass „es in diesem Leben kein Ziel gibt. Es ist eine ständige Reise, auf der ich lerne, Dinge besser zu machen. Die Lektion, die ich im Moment lerne, ist, dass ich mir nach jedem Fehler nur sagen kann: ‚Fam … We go again.‘“

Veröffentlichung: 13. April 2023
Label: Famm

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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