Neue Platten: The Dodos – „Individ“

Cover des Albums Individ von The DodosThe Dodos – „Individ“ (Morr Music)

8,5

Ein echtes Kraftpaket, das neue Album „Individ“ der Indie-Folk-Band The Dodos aus San Francisco. Das fängt schon beim Cover an. Ein nackter Muskelmensch stemmt sich da kopfüber ins Licht – eine heldenhaft tragische Mischung aus Atlas und Sisyphos, gezeichnet in expressionistisch groben Strichen und umgeben von wildem Chaos und schwarzer Dunkelheit, in der gehörnte Dämonen lauern. Lagerfeuerromantik? Fehlanzeige. Hier wird gekämpft und gerungen.

Seinen musikalischen Ausdruck findet diese Energie in den neun temporeichen, treibenden Songs des Albums. Laut Pressetext brachten die Aufnahmen zu „Individ“ die Band zurück zur intuitiven und direkten Arbeitsweise ihres 2008er Erfolgsalbums „Visiter“. Auf ihm prägte das Duo bestehend aus Sänger und Gitarrist Meric Long und Schlagzeuger Logan Kroeber einen Sound: eine auf das Wesentliche reduzierte Verbindung von treibender Percussion und stark rhythmisch geprägten, häufig synkopierten Akustik- und E-Gitarren. Diese stehen nun auch auf der neuen Platte deutlich im Vordergrund. Bereits beim Intro des Eröffnungsstücks „Precipitation“ schweben langsam anschwellende, gedehnte Gitarrendrones wie Nebelhörner über diesiger See. Doch dann verdichten Kroebers hektische Schlagzeugmuster und Longs komplexe Gitarren-Pickings die Atmosphäre zunehmend, um den Song in der zweiten Hälfte schließlich in ein hymnisches Finale aus verzerrten Gitarren-Arpeggien und wuchtigem Schlagzeug ausklingen zu lassen.

Obwohl die Gitarre-Schlagzeug-Aufstellung der Dodos oberflächlich an andere reduzierte Rock-Duos wie The White Stripes oder The Black Keys erinnern könnte, haben die beiden mit gradlinigem Garage-Rock nichts am Hut. Long beschäftigte sich bereits vor der Bandgründung im Jahr 2005 intensiv mit westafrikanischer Trommelmusik und spielte als echter Multi-Intrumentalist auf der ersten Dodos-EP alles selbst ein. Kroebers Hintergrund liegt eher im Metal-Bereich, was bei den Dodos weniger im Sound, sondern eher in Sachen Energiedichte und experimenteller Rhythmik noch durchscheint.

Ergänzt wird die musikalische Versiertheit durch eine deutliche Sensibilität für eingängige Melodien. Daher klingen die Dodos selten verkopft, sondern beherrschen die Kunst, komplizierte Strukturen einfach klingen zu lassen. Trotz häufig wechselnder Taktarten und ungewöhnlich verlängerter oder verkürzter Songteile fließen die Stücke am Ende sehr natürlich, klingen rund und sind dank der weit angelegten Gesangslinien nicht selten sogar richtig einprägsam. Gut nachzuprüfen auf der bereits im Dezember veröffentlichen Single „Goodbyes And Endings“, bei der sowohl Rhythmik als auch Songstruktur alles andere als Standard sind, und trotzdem rollt das Stück mit großem Schwung und Leichtigkeit dahin. Auch auf dem zweiten im Vorfeld veröffentlichten Song „Competition“ spielen Kroeber und Long mit hart angeschlagenen, aber freundlich schrammelnden Akustikgitarren in der ersten Indie-Rock-Liga mit. Einen solchen Hit haben sich die Dodos-Fans wahrscheinlich seit der „Visiter“-Single „Fools“ immer wieder gewünscht. Auf „Individ“ gibt es davon jedenfalls noch deutlich mehr zu entdecken.

Label: Morr Music

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