Tindersticks – „No Treasure But Hope“ (Album der Woche)

Cover des Albums „No Treasure But Hope“ von Tindersticks

Tindersticks – „No Treasure But Hope“ (City Slang)

Während in den Neunzigern die meisten britischen Bands Cool-Britannia-berauscht durch das Jahrzehnt preschten, blickte eine Band aus Nottingham nach innen. Tindersticks empfahlen sich mit ihrer Mischung aus getragenen Kammer-Pop und entschleunigtem Indie-Rock lieber als Hausband für Hotellounges über den nebeligen Tälern dieser Welt. Keine schlechte Karrierewahl, wie sich zeigt. Abgesehen von einer Pause Mitte der Nullerjahre sind Sänger Stuart A. Staples und seine Attachés immerhin seit fast 30 Jahren ein verlässlicher Garant für stilvolle Melancholie.

Denn niemand klagt so schön wie Staples – außer vielleicht Samuel T. Herring von Future Islands. Und obwohl „No Treasure But Hope“ eine der positiveren Platten von Tindersticks ist, gibt es noch genug Dinge, die für Staples zum Heulen sind: „No love on the streets / only fear in our hearts / no treasure but hope“, seufzt es da einem im Titelstück, untermalt von impressionistischen Pianotupfern und Vibrafonklängen, entgegen.

Die Pianotupfer, die auch schon im Opener „For The Beauty“ zu hören sind, und so die Platte klammern, gehen auf Dan McKinna zurück. Der Musiker war bisher als Bassist der Gruppe angestellt, durfte sich aber nun verstärkt dem Songwriting am Klavier und dem Arrangement von Streichern und Bläsern widmen – und bereitet so Staples‘ Stimme eine mit schwerem Samt eingerahmte Bühne.

Stilvolle Melancholie und ein echter Love-Song

Songs über das Verlangen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Diskografie der Band. Dem ist sich Staples bewusst und benutzt bei „The Amputees“ – auf Deutsch: Die Amputierten – eine makabere Metapher, die es ihm ermöglicht, einen eindrücklichen Song über das Vermissen zu schreiben, ohne bereits abgegrastes Terrain zu touchieren. Nostalgische Wärme strömt durch die wabernden Vibrafonflächen, die von Neil Frasers Gitarre umspielt werden und Earl Harvin treibt die Band durch sein shuffelndes Schlagzeug voran. Die gegen Ende einsetzenden Hörner und das unablässige Wiederholen der Zeile „I Miss You So Bad“ untermalen eine beinahe verzweifelte Sehnsucht, die Staples mit seiner Stimme zu transportieren scheint.

Die Texte von „No Treasure But Hope“ schrieb Staples im Herbst 2018 auf der griechischen Insel Ithaka. Eine Insel im Ionischen Meer, die laut Homer Odysseus als Ausgangs- und Endpunkt seiner sagenhaften Irrfahrt diente. Der mythische Ort scheint Staples inspiriert zu haben, denn auf dieser Platte findet sich etwas, das bisher bei Tindersticks undenkbar war. Nach all den Songs über gescheiterte Liebschaften und andere Umwege des Lebens ist da tatsächlich Gewissheit, ein Ankommen: „Yeah, I love you“, singt Staples auf „Pinky In The Daylight“. Ohne Wenn und Aber. Ein echter Love-Song, zum Heulen schön.

Veröffentlichung: 15. November 2019
Label: City Slang

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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