Die ByteFM Jahrescharts 2024

Von ByteFM Redaktion, 30. Dezember 2024

Collage aus Covern der meistgespielten Alben der ByteFM Jahrescharts 2024

Nachdem wir in den vergangenen Wochen Euch ausgiebig die individuellen Lieblingssongs und Lieblingsalben des ByteFM Teams dargelegt haben, wird es nun Zeit, die Subjektivität zu begraben – und das geht nur mit Hilfe der guten, alten Mathematik. Wir haben das Jahr 2024 ausgiebig und vollumfänglich ausgewertet: Das sind die meistgespielten Alben des Jahres im Programm von ByteFM!

Vorgestellt wurde die Liste der meistgespielten Alben von ByteFM Moderatorin Johanna Schmidt am 30. Dezember 2024 in einem Freispiel. Mitglieder im Förderverein „Freunde von ByteFM“ können die Sendung jederzeit in unserem Sendungsarchiv nachhören.

Eine letzte Bestenliste des Jahres gibt es noch als krönenden Abschluss am Silvesternachmittag: Eure Lieblinge. Die Ergebnisse der ByteFM Umfrage präsentieren wir am Sonntag, den 31. Dezember 2024 in den Jahrescharts der Hörer*innen. Mit den Künstlerinnen und Künstlern, die Euch am meisten bedeutet haben, dem beliebtesten Album, den überraschendsten Newcomer*innen. Drei Stunden lang in unserem Programm, von 14 bis 17 Uhr, moderiert von Ruben Jonas Schnell.

Unsere meistgespielten Alben des Jahres:

Cover des Albums Mount Kimbie – „The Sunset Violent

40. Mount Kimbie – „The Sunset Violent“

Sieben Jahre nach dem beeindruckenden Album „Love What Survives“ kehren Mount Kimbie mit einer musikalischen Kehrtwende zurück: Mit „The Sunset Violent“ haben die einstigen UK-Post-Dubstep-Vorreiter eine Gitarren-Platte veröffentlicht. Aus einem Duo wurde ein Quartett – und nun, als Band, spielen Mount Kimbie lupenreinen Shoegaze- und Dreampop, der natürlich nicht ohne elektronische Fallstricke auskommt.

Cover des Albums Der Assistent – „Amnesie am Amazonas“

39. Der Assistent – „Amnesie am Amazonas“

Schräge Typen in tropischen Absteigen, eine ominöse „Klinik unter Palmen“, Misstrauen erregende Kakteen-Cocktails und eine omnipräsente Melancholie. Diese Bilder trägt Tom Hessler alias Der Assistent auf seinem zweiten Soloalbum „Amnesie am Amazonas“ in gewohnt unaufgeregtem Gesang vor – über eine Mischung aus Yacht-Rock, Dub, Bossa Nova und Muzak. Doch genau wie in seinen Texten zieht sich auch durch die Instrumentals ein seichter Hauch von Gefahr.

Cover des Albums Galliano – „Halfway Somewhere“

38. Galliano – „Halfway Somewhere

Galliano starteten ihre Karriere im Londoner Underground der späten 80er-Jahre. Und trotzdem klingt die Band auf ihrer ersten LP seit 28 Jahren so vital, als wäre gar keine Zeit vergangen. Auf „Halfway Somewhere“ zelebrieren Galliano ihre Vergangenheit, die Gegenwart und den heiligen Dancefloor, mit groovy Funk und Soul, Drum-’n’-Bass- und Afrobeat-Experimenten und dem glorreichen Acid-Jazz, der sie zu Legenden machte.

Tyler, The Creator – „Chromakopia“

37. Tyler, The Creator – „Chromakopia

„Don’t you ever in your motherfucking life dim your light for nobody“, rät Bonita Smith ihrem Sohn Tyler Okonma auf „Chromakopia“, seinem neuen Album als Tyler, The Creator. Der US-Rapper nimmt sich diese Worten zu Herzen – und lässt auf seiner achten LP kolossale Banger und verletzliche Balladen vom Stapel. Seine diversen musikalischen Pole sind auf „Chromakopia“ vereint, zum bis dato fokussiertesten Album seiner Karriere.

Cover des Albums The Cure – „Songs Of A Lost World“

36. The Cure – „Songs Of A Lost World“

Dass The Cure im Jahr 2024 überhaupt ein Album veröffentlicht haben, ist eigentlich Sensation genug. Fans mussten schließlich über 16 Jahre auf ein neues Werk der prägenden UK-Goth-Band warten. Sänger Robert Smith redete schon so lange in Interviews und auf der Bühne über eine neue LP, die „ganz bald fertig“ sein würde, dass man ihm schon seit einiger Zeit nicht mehr wirklich glauben konnte. Und dann erscheint plötzlich „Songs Of A Lost World“ – und ist nicht nur gut, sondern eine nahtlose Fortführung der Traurigkeit ihrer alten Glanzstücke wie „Disintegration“. Was für ein Geschenk!

Cover des Albums Amyl And The Sniffers – „Cartoon Darkness“

35. Amyl And The Sniffers – „Cartoon Darkness

Essays, Bücher, Thinkpieces, Podcasts und Dokus über das abstumpfende Potenzial von Social Media gibt es bereits mehr als genug. Was die Herangehensweise von Amyl And The Sniffers auf ihrem Big-Tech-kritischen dritten Album „Cartoon Darkness“ aber dennoch bemerkenswert macht, ist, dass sie direkt ein aktives Mittel gegen die Taubheit liefern: euphorische und aufgekratzte Rock-Musik. Das konfrontative Songwriting der australischen Band ist in Topform und sehr abwechslungsreich, mit catchy Glam-Rock, sludgy Hardcore-Brettern und melodischen The-Kinks-Throwbacks.

Cover des Album Yaya Bey – „Ten Fold“

34. Yaya Bey – „Ten Fold“

Im Verlauf ihres dritten Albums „Ten Fold“ arbeitet Yaya Bey sich an vielen schwerwiegenden Themen ab. An dem Struggle mit ihrer genderqueeren Identität. Am Leben in einer von spätkapitalistischem Wahnsinn gezeichneten Stadt. Doch der Schlüsselsatz verspricht etwas anderes: „I been changing under all this pressure / Into something that shines.“ Und wie sie strahlt. Der ultraweiche R&B der New Yorkerin war schon auf ihren vorherigen Platten bemerkenswert. Doch „Ten Fold“ ist musikalisch Beys bis dato beeindruckendstes Werk.

Cover des Albums Habibi – „Dreamachine“

33. Habibi – „Dreamachine

Etwas so Privates und Abstraktes wie einen Traum in packende Worte zu fassen, ist in jedem Fall eines: schwierig. Habibi beherrschen diese hohe Kunst. „Träume sind der Faden, der uns mit dem Unbekannten verbindet“, sagen Rahill Jamalifard und Lenny Lynch, Gründerinnen und Kernmitglieder des New Yorker Quintetts. Aus diesen Fäden haben sie ihr passend betiteltes drittes Studioalbum „Dreamachine“ gewoben. Eine psychedelische Dreampop- und Post-Punk-Reise durch das geteilte Unterbewusstsein von Habibi.

Cover des Albums Tindersticks – „Soft Tissue“

32. Tindersticks – „Soft Tissue“

Nachdem sie auf ihrer vergangenen Platte „Distractions“ mit fragmentarischem Noise-Pop den Corona-Blues vertonten, kehren Tindersticks auf dem Nachfolger „Soft Tissue“ zu dem Kammer-Pop zurück, der die britische Band zu langjärigen Underground-Favoriten machte. Das ist aber kein Rückschritt – wie der erste nebelige Rhodes-Piano-Akkord in „New World“ sofort spürbar macht. In Sachen Nachtmusik spielen Tindersticks immer noch in ihrer ganz eigenen Liga.

31. Andreas Dorau – „Im Gebüsch

Gerade in schwierigen Zeiten ist der Dorau’sche Drahtseilakt zwischen Albernheit und Tragik besonders willkommen. Umso schöner, dass der Hamburger Musiker 2024 mit seiner ersten LP seit vier Jahren wiedergekehrt ist – pünktlich zu seinem 60. Geburtstag. Passenderweise fühlt sich „Im Gebüsch“ wie eine Ehrenrunde an: In 13 Songs präsentiert Dorau alle Facetten seiner typischen traurigen Fröhlichkeit, egal ob mit Reggae- und House-Experimenten, melancholischem Post-Punk oder den nostalgischen NDW-Klängen, die ihn einst zum Star machten.

Cover des Albums Kim Gordon – „The Collective“

30. Kim Gordon – „The Collective“

Während es sich ihre einstigen Sonic-Youth-Kollegen im sicheren Gebiet der alternativen Gitarren-Musik gemütlich gemacht haben, richtet Kim Gordon den Blick in nur eine einzige Richtung: nach vorne. Auf ihrer zweiten Solo-LP „The Collective“ singt, spricht und Autotune-jodelt die 71-jährige US-Künstlerin über durch den Fleischwolf gedrehte Trap-Beats und industriellen Noise. Gordon ist und bleibt kompromisslos – und klingt auf „The Collective“ mindestens so gefährlich wie Sonic Youth zu ihren schwärzesten No-Wave-Zeiten.

Cover des Albums Adrianne Lenker – „Bright Future“

29. Adrianne Lenker – „Bright Future

Das fünfte Soloalbum der Big-Thief-Musikerin Adrianne Lenker beginnt mit langsamen Klavierakkorden in Moll. Man hört das Rauschen im Studio, hört die Stimmen von Lenker und ihren befreundeten Mitmusiker*innen, eine Geige wird angestimmt. Ein passendes Intro für das größtenteils live in Bandbesetzung eingespielte „Bright Future“. Die genauso traurige wie hoffnungsvolle Musik scheint durch die US-Künstlerin zu fließen wie das Wasser im Fluss, und es scheint nicht viel Anstrengung oder mühselige Studioarbeit nötig zu sein. Es reicht, wenn jemand auf den Aufnahmeknopf drückt.

Cover des Albums La Luz – „News Of The Universe“

28. La Luz – „News Of The Universe

Die Schlüsselzeile der fünften LP der Psych-Rock-Band La Luz ist eine Variation auf ein bekanntes Zitat der Autorin Octavia E. Butler: „Die einzige bleibende Wahrheit ist Veränderung.“ Die US-Gruppe verwandelt es auf „News Of The Universe“ in: „I must keep my heart wide open / I know that change is the only law.“ Shana Cleveland und ihre Mitstreiterinnen geben sich ganz der Psychedelia hin, verbinden in bester Traum-Logik unterschiedlichste Ideen miteinander, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Ein Album über den Schrecken und die Schönheit des Wandels.

Cover des Albums Kit Sebastian – „New Internationale

27. Kit Sebastian – „New Internationale

Rein akustisch ist „New Internationale“, Kit Sebastians Debüt auf dem Label Brainfeeder, keine Revolution. Doch spätestens beim vierten Song, „Göç / Me“, fällt auf: Hier ist irgendetwas faul. Musikalisch handelt es sich um verschmitzten Retro-Soul, doch inhaltlich sind andere Mächte am Werk – eine Anti-Migrationshymne, aber nicht aus Perspektive von Rechtspopulist*innen, sondern aus migrantischem Blickwinkel. „Is this another adamant march toward catastrophe / Or an overture to the age of revolutionary action?“, lauten die letzten Zeilen von „New Internationale“. Ein erstaunlich revolutionärer Aufruf zum Ende eines erstaunlich vielschichtigen Albums.

Cover des Albums Porij – „Teething

26. Porij – „Teething

2020 galten Porij noch als genussvoll den Dancefloor befeuernde „neue queere Dance-Pop-Hoffnung“. Doch auf dem ersten Album „Teething“ schaltet das Quartett aus Manchester ein paar Gänge zurück, ohne an Fahrt zu verlieren: ein Elektropop-Debüt voll Understatement und dennoch ein großer Pop-Wurf.

Cover des Albums Jamie xx – „In Waves“

25. Jamie xx – „In Waves

Zwei Fäden durchwirken „In Waves“, das zweite Soloalbum von Jamie xx: Melancholie und Gemeinschaft. Die aktuelle LP des Briten ist eine Reise durchs kollektive Auf und Ab der vergangenen Jahre. Dabei macht sich das Album auf zu neuen Ufern, die gesamte Tanzmusikhistorie im Gepäck. Und ihm gelingt das Kunststück, mit der richtigen Balance zwischen Funktionalität und Emotion zu Hause so gut funktionieren wie im Club.

Cover des Albums Ride – „Interplay“

24. Ride – „Interplay

Einem seltsamen TikTok-Revival sei Dank, ist Shoegaze eines der populärsten Genres der Gen-Z – der perfekte Zeitpunkt für ein Comeback einer der größten Bands dieser Spielart. Während die jungen Wilden den Shoegaze im digitalen Lo-Fi-Kontext erkunden, tun Ride das aber etwas anders: mit Maximalismus. Und genau darin liegt sein Wert. Zum Finale von „Interplay“ entfachen die Briten ein Noise-Feuerwerk, das man so seit My Bloody Valentines „You Made Me Realise“ nicht mehr gehört hat.

Cover des Albums Aaron Frazer – „Into The Blue“

23. Aaron Frazer – „Into The Blue

Aaron Frazers zweites Album „Into The Blue“ ist ein Spiel mit den Erwartungen – die der US-amerikanische Sänger und Musiker im Jahr 2021 selbst verantwortet hat. Damals veröffentlichte der in Baltimore geborene Künstler sein erstes Soloalbum „Introducing…“, eine lupenreine Retro-Soul-LP, mit deren Sound er auf „Into The Blue“ bricht. Frazer spielt plötzlich mit HipHop, Yacht-Rock, New Jack Swing und 90er-Jahre-R&B – und scheint den Spaß seines Lebens zu haben.

Cover des Albums Jane Weaver – „Love in Constant Spectacle“

22. Jane Weaver – „Love In Constant Spectacle

„Love In Constant Spectacle“, das aktuelle Album der britischen Musikerin Jane Weaver, ist ein intensiver Engtanz mit sich selbst. Die erneute Überführung retro-hippiesker Sounds endet dieses Mal in einem zeitgenössischen Psychedelic-Pop-Album von ostentativ betulicher Natur. Schon der Opener „Perfect Storm“ ist nicht stürmisch, sondern sanft: harmoniesüchtiger Groove allenthalben. Jane Weaver hält dem konstanten Informationsgeballer unserer Zeit ein Sammelsurium von sonderbaren Einflüssen entgegen, die gewöhnlich nur mit spitzen Fingern angefasst werden.

Cover des Albums Fastmusic – „I Want To Love, And I Love“

21. Fastmusic – „I Want To Love, And I Love

„I Want To Love, And I Love“, das Debüt vom Leipziger Fastmusic, ist leise. Und zwar rein objektiv gesprochen. Die LP ist aus sanft klackernden Drumcomputern, gemütlichen Blues-Gitarren und zurückgenommenem Gesang konstruiert. In seiner allumfassenden Zurückhaltungsgeste ist das Album fast schon kokett bis flamboyant. In keinem Fall ist Fastmusic ein bescheidener Singer-Songwriter. Eher jemand, der sich ziemlich radikal seine eigene Welt einrichtet.

Cover des Albums Tierra Whack – „World Wide Whack“

20. Tierra Whack – „World Wide Whack

Im Vergleich zu ihrem aus 15 einminütigen Vignetten zusammengebastelten Sensations-Mixtape „Whack World“ ist das Longplay-Debüt der US-Rapperin Tierra Whack veröffentlichungspolitisch eher konventionell. Denn ohne großes Formatkonzept erwarten uns 15 Songs in knapp 40 Minuten – kurzum: ein ganz normales herausragendes Rap-Pop-R&B-und-so-weiter-Album. Hier ist jeder Song ein Einzelstück, das keinem anderen gleicht. Aber trotzdem greifen alle stimmig ineinander wie bei einem Gebäude aus bunten Legosteinen.

Cover des Albums Nichtseattle – „Haus“

19. Nichtseattle – „Haus“

Dass ein Haus mehr ist als nur vier Wände, weiß Nichtseattle. Die Berliner Musikerin, bürgerlich Katharina Kollmann, singt auf ihrem nach diesem losen Konstrukt benannten dritten Album sowohl über naheliegende Konzepte wie „Heimat“, „Gemeinschaft“ und das Aufwachsen in den Plattenbauten der ausklingenden DDR, aber holt auch noch viel weiter aus. Die Songs sind lang, oft über sieben Minuten, doch innerhalb dieser Zeit wird keine Silbe verschwendet: „Und der liest so stolz Bücher von Frauen / Und wird nur an neuen Märchen mitbauen.“

Cover des Albums Kim Deal – „Nobody Loves You More“

18. Kim Deal – „Nobody Loves You More

Crooner-Pop, Steel-Guitar-Country und Dance-Punk: Auf ihrem ersten Solodebüt erkundet Kim Deal unbekanntes Terrain – mit der Lässigkeit, die man von ihren Bands The Breeders und Pixies gewohnt ist. Bei aller Spielfreude fällt erst beim zweiten Hören auf, dass es sich bei „Nobody Loves You More“ um eine sehr tragische Songsammlung handelt. Es ist mehr als nur ihre Lässigkeit, die Kim Deal zu einer Ikone macht. Sondern auch ihre Verletzlichkeit.

Cover des Albums Rosie Lowe – „Lover, Other“

17. Rosie Lowe – „Lover, Other

Hinreißend war die Musik von Rosie Lowe schon immer. Ihr Debüt „Control“ aus dem Jahr 2016 etablierte sie als eine der markantesten Stimmen des modernen UK-Soul. Im Vergleich zu den Vorgängern, ist „Lover, Other“ Lowes erste komplette Eigenproduktion. Mit Leichtigkeit balanciert Lowe zwischen verschiedenen Genres, allesamt vereint durch ihre dichten Harmonien und ihr Gespür für leicht aus dem Rahmen fallende Arrangements, egal ob minimalistischer Soul, verzerrter Funk aus der D’Angelo-Schule oder dröhnendes 808-Geballer.

Cover des Albums Real Estate – „Daniel“

16. Real Estate – „Daniel“

Wenige Bands können ihre Gitarren so schön perlen lassen wie Real Estate. „Daniel“, die sechste LP des Quartetts aus New Jersey, ist schon wieder ein melancholisch strahlendes Jangle-Pop-Meisterstück. Die fünf Mitglieder lebten für die Aufnahmezeit eng in einer gemeinsamen Mietwohnung – und die Nähe merkt man. Alles slidet, groovt und funkelt in telepathischer Harmonie.

Cover des Albums Yard Act – „Where's My Utopia?

15. Yard Act – „Where’s My Utopia?

Mit ihrem Debüt „The Overload“ verwandelten Yard Act sich binnen weniger Wochen von Nobodys zur Band, die mit Elton John ins Studio geht. Niemand scheint über diesen rasanten Aufstieg überraschter als das Quintett aus Leeds selbst. Schließlich ist ihr zweites Album „Where’s My Utopia?“ in vielerlei Hinsicht eine Meta-Reflexion. Von „Post Punks latest poster boys“ singt James Smith über sich selbst, die auf der musikalischen Basis von verstorbenen Helden ihre eigenen neunmalklugen Kopien verkaufen. Soviel Selbstreflexion gibt’s selten in diesem Genre. Yard Act selbst klingen dabei so befreit wie noch nie, mit neuen Sounds wie Slacker-Hop und Disco-Punk.

14. Nilüfer Yanya – „My Method Actor

Nilüfer Yanya ist Meisterin der intensiven Leichtfüßigkeit. Die Londonerin beschreibt ihre dritte LP „My Method Actor“ als ihr intensivstes, persönlichstes Werk. Doch das Ergebnis klingt überhaupt nicht nach Anstrengung, nach Blut, Schweiß und Tränen. Sondern so losgelöst wie noch nie: Yanya singt im Opener „Keep On Dancing“ vom Loslassen angesichts von Verzweiflung, über vitales Akustikgitarrengeschrammel und einen swingenden Jungle-Beat. Ihr charakteristisches Hauchen weicht auf „My Method Actor“ oftmals einem Jauchzen. Und das wirkt ansteckend.

Cover des Albums Levin Goes Lightly – „Numb“

13. Levin Goes Lightly – „Numb

Im Laufe seiner Karriere wurde schon viel Positives über Levin Stadler aka Levin Goes Lightly geschrieben. Doch ein Aspekt der Kunst des Stuttgarters ist bis heute eher schwach belichtet: sein Talent für Punchlines. Kurze Sätze, die großen Weltschmerz mit großer Präzision auf ihre Essenz herunterbrechen. „Ist es so schön, weil es so traurig ist?“ „There’s nothing wrong with being lost / ‘Cause nothing is a straight line.“ „Wir tragen für einander unser Gift.“ Jeder Song auf seiner fünften LP „Numb“ hat mindestens einen Satz, der sich direkt im Stammhirn festsetzt.

Cover des Albums Brijean – „Macro“

12. Brijean – „Macro

„Lass Dir alles geschehn: Schönheit und Schrecken / Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste“, schrieb Rainer Maria Rilke in seinem „Buch vom mönchischen Leben“. Dieses Zitat war der Schlüsselmoment für „Macro“, die zweite LP von Brijean. Das kalifornische Duo holt hier mit seinen Psych-Funk-Collagen ziemlich weit heraus – und bewegt sich durch das komplette menschliche Emotionsspektrum, durch Trauer und Euphorie, durch Liebe und Leid.

Cover des Albums Peggy Gou – „I Hear You“

11. Peggy Gou – „I Hear You

Mit ihrem 2023er Bubblegum-House-Smash-Hit „(It Goes Like) Nanana“ (der das Zentrum von „I Hear You“ bildet) wollte sie ein unaussprechliches Gefühl in Musik verwandeln. „Das Gefühl von Liebe, Wärme und Aufregung“, sagte die in Berlin lebende Südkoreanerin Peggy Gou, „wenn Du von Freund*innen und Geliebten umgeben bist und die Energie für sich selbst spricht.“ Als „Worte“ fielen ihr dafür nur „Nanana“ ein. Subtil ist das nicht. Das Hören, das im Zentrum ihrer Debüt-LP „I Hear You“ steht, ist kein feinfühliges Lauschen. Stattdessen geht es Gou hier um offenherziges Einanderzuhören – um die nonverbale Verbindung, die so nur auf dem Dancefloor entstehen kann.

Cover des Albums Helado Negro – „Phasor“

10. Helado Negro – „Phasor

Psychedelisch, experimentell und vielschichtig, bald folkloristisch und auf sanfte Weise funky: Das sind die Schlagwörter von „Phasor“, dem achten Album von Helado Negro. Ein Album, das von der Suche nach seelischem Frieden spricht und diesen in der Achtsamkeit findet. Sei es im Umgang mit anderen Menschen oder im „Deep Listening“, zu dem es einlädt, ohne sich allerdings dem Konsum als akustisches Beiwerk in den Weg zu stellen. Doch es lohnt, sich dem akustischen Sog hinzugeben, den der US-Musiker hier gewohnt nonchalant entfaltet.

Cover des Albums Idles – „Tangk“

9. Idles – „Tangk

Idles machten sich ihren Namen mit Wut-Musik. Doch nun singt Joe Talbot auf ihrem fünften Album explizit von Liebe. Allein dieses Wort fällt auf „Tangk“ 29 Mal. Der Fokus auf die Liebe bringt auch eine neue Klangpalette mit sich. Mit Hilfe von Radiohead-Produzent Nigel Godrich wabern nun verhallte Klavierschleifen und entfernt durch den Raum flirrende Saiteninstrumente um die Stimme. Die neuen Sounds schaffen Raum für Verletzlichkeit, die Talbot im Höhepunkt „A Gospel“ voll ausschöpft – und mit seiner Band zur Höchstform aufläuft.

Cover des Albums Beth Gibbons – „Lives Outgrown“

8. Beth Gibbons – „Lives Outgrown

Beth Gibbons klang schon immer so, als würde das Gewicht der ganzen Welt auf ihr lasten. Dieses Gewicht ist auch auf ihrem ersten offiziellen Soloalbum wieder spürbar. „Lives Outgrown“ ist in vielerlei Hinsicht ein Werk über Machtlosigkeit. Über den eigenen Körper, der, egal was man tut, immer älter und immer schwächer werden wird. Und über die Menschen, die einen umgeben. Gibbons begegnet dieser großen Machtlosigkeiten nicht nur mit Schmerz, sondern auch mit einer ruhelosen Neugier. Und die zeigt sich ganz besonders in der Musik dieses Albums, die meisterhaft zwischen folkiger Trauermusik, Breakbeats und Trompeten-Fanfaren oszilliert.

Cover des Albums Marika Hackman – „Big Sigh“

7. Marika Hackman – „Big Sigh

Marika Hackmans Album „Big Sigh“ beginnt keineswegs mit dem Stoßseufzer, von dem sein Titel spricht. Die Britin lockt uns leise in ihr erstes neues Album seit fünf Jahren herein – und hat so einige Überraschungen auf diesem sanften Mini-Comeback versteckt. Überall lauern unerwartete Klänge und radikale künstlerische Entscheidungen. „Big Sigh“ ist weder ein zartes Pflänzchen, das ohne ungeteilte Aufmerksamkeit eingeht noch ein Kunst-Brocken, bei dem man ganz besonders aktiv hinhören müsste. Doch es ist schlichtweg ein Album, bei dem sich das Durchhören von Anfang bis Ende auszahlt.

6. Jessica Pratt – „Here In The Pitch

Jessica Pratt ist eine Meisterin der singenden Stille. Doch ihre aktuelle LP „Here In The Pitch“ beginnt nahezu wortwörtlich mit einem Paukenschlag: „Life Is“ eröffnet das Album mit Trommelwirbeln aus der Hal-Blaine-Schule, Streichern und Glocken. Das ist – zum Glück – eine Finte, der Rest der Platte ist so übernatürlich ruhig, wie man es von der US-Musikerin gewohnt ist. Die wenigen (relativ) lauten Momente machen die leisen noch intensiver. Man sollte sich von Pratts Minimalismus aber nie täuschen lassen – selbst in den ruhigsten Momenten passiert ziemlich viel. Man muss nur genau zuhören.

Cover des Albums The Smile – „Wall Of Eyes“

5. The Smile – „Wall Of Eyes

Es muss ziemlich schwer sein, ein Radiohead-Album zu machen. Das suggeriert jedenfalls die schlichte Tatsache, dass zwischen den Albumveröffentlichungen immer einige Jahr ins Land ziehen. Ein The-Smile-Album hingegen muss ziemlich großen Spaß machen – schließlich hat das Nebenprojekt der Radioheads Thom Yorke und Jonny Greenwood nun bereits seine zweite LP innerhalb von zwei Jahren herausgebracht. Der Spaß ist auch in der Musik fühlbar: Yorke, Greenwood und Drummer Tom Skinner tänzeln auf „Wall Of Eyes“ zwischen Komfortzone und Experimenten, zwischen groovy Post-Punk, Billy-Joel-Piano-Rock und UK-Jazz – und lassen das alles sehr leicht wirken.

Cover des Albums Nia Archives – „Silence Is Loud“

4. Nia Archives – „Silence Is Loud

In jüngeren Jahren haben sich Jungle-Beats steigender Beliebtheit erfreut. Während der Underground nie tot war, sind in letzter Zeit einige gelungene Jungle-Pop-Hybridsongs erschienen. Die besten von ihnen finden sich auf „Silence Is Loud“, dem Debütalbum von Nia Archives – der möglicherweise ersten perfekten Jungle-Pop-LP. Archives, selbst familiär tief in der jamaikanisch-britischen Soundsystemkultur verwurzelt, serviert auf „Silence Is Loud“ haufenweise Hits aus einer alternativen Pop-Realität, die nach und nach in unsere Welt Einzug hält.

Cover des Albums Khruangbin – „A La Sala“

3. Khruangbin – „A La Sala

Khruangbin hatten sich für ihre vierte LP viel vorgenommen. Doch eine Mission stand für das texanische Trio ganz weit oben: Mit „A La Sala“ wollten sie ein Album erschaffen, das wie ein Wohnzimmer klingt. Die zwölf Songs wurden ausschließlich von den drei Bandmitgliedern eingespielt. Live in einem Raum, mit nur minimalen Overdubs und ein paar zwitschernden Field-Recordings. Der Titel des Albums, „A La Sala“, ist der spanische Ausruf, den Bassistin Lee in ihrer Kindheit benutzte, um ihre Familie zusammenzubringen. „Kommt ins Zimmer!“ Das ist die Geschichte, die Khruangbin auf dieser LP erzählen: von drei Menschen, die in einem Raum wieder zueinanderfinden.

Cover des Albums Fontaines D.C. – „Romance“

2. Fontaines D.C. – „Romance

Lange war im Vorfeld einer Album-Veröffentlichung einer Rock-Band nicht so ein Raunen zu vernehmen wie im Fall von „Romance“, der mittlerweile vierten LP von Fontaines D.C. Schon weit vor dem Release konnte man Unkenrufe über ein Durchbruchsalbum oder den Schritt auf die ganz großen Bühnen hören bzw. lesen. Die Vermutungen im Vorfeld haben sich weitgehend bestätigt: Fontaines D.C. schaffen mit „Romance“, was aktuell nur sehr wenigen Bands gelingt: trotz eines Sammelsuriums an musikalischen Referenzen von 90s-Alternative-Rock über Madchester und 80s-Pop einen eigenständigen Sound zu kreieren, ohne dabei rückwärtsgewandt zu klingen.

Cover des Albums International Music – „Endless Rüttenscheid“

1. International Music – „Endless Rüttenscheid

Niemand schreibt hierzulande so schöne Liebeslieder wie International Music. Ihr neuester Streich „Endless Rüttenscheid“ treibt es aber auf die Spitze: Das dritte Album von Peter Rubel, Pedro Goncalves Crescenti und Joel Roters ist eine Liebeserklärung an die „timeless melancholic music“ an sich. In „Lass es ziehn“, einem dieser perfekten International-Music-Lovesongs, machen die Essener die Verbindung zwischen Musik und Romantik explizit: „Lass es ziehn, irgendwie / Nimm den Ton und mach ihn schief / Sing ihn tief, sing ihn hoch“. Und dann fuzzt Rubels E-Gitarre los – und alles ist Liebe.

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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Diskussionen

2 Kommentare
  1. posted by
    vera
    Dez 31, 2024 Reply

    Es fehlen noch
    Fontaines DC
    übrigens, ich backe gerade
    gruß
    vera | koblenz

  2. posted by
    vers
    Dez 31, 2024 Reply

    und the Cure
    fehlen auch noch

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