Julien Baker & Torres – „Send A Prayer My Way“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 21. April 2025

Cover des Albums „Send A Prayer My Way“ von Julien Baker & Torres

Julien Baker & Torres – „Send A Prayer My Way“ (Matador Records)

Es gibt viele Möglichkeiten, ein Auto zu zerstören. In Flammen setzen, eine Klippe herunterschieben, mit einem Baseballschläger kaputthauen – der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Doch es gibt noch eine nicht nur kosten- und energieeffiziente, sondern auch deutlich poetischere Option: einfach ein bisschen Zucker in den Tank kippen. Dem Volksmund nach lösen sich die Kristalle im Benzin auf und bilden eine klebrige Masse, die den Motor in Windeseile lahmlegt.

Diese populäre Methode ist zwar wissenschaftlich widerlegt, ist aber als bittersüßer Mythos nicht totzukriegen. „I hate just watching through the window when you pull up / And I’m still thinking I should stay home“, singt Julien Bakers unglücklich verliebte Protagonistin auf „Send A Prayer My Way“, ihrem neuen gemeinsamen Album mit Torres. „Sitting outside with the engine running / Just waiting on me to change / Come on, baby, put a little sugar in the tank / And I’ll love you all the way“. Selbstsabotage durch Zucker, was für ein schönes Bild, das aus dem Mund dieser zwei queeren Künstlerinnen noch mehr Bedeutung mit sich trägt – schließlich handelt es sich bei der Formulierung „Sugar In The Tank“ auch um Slang für unterdrückte oder geheim gehaltene Homosexualität.

Bittersüße Bildsprache

Sugar In The Tank“ war die erste gemeinsame Single, die Baker und Torres in die Welt setzten. Sie steht emblematisch dafür, was diese beiden US-Sängerinnen und -Songwriterinnen mit „Send A Prayer My Way“ geschaffen haben: ein Album, gefüllt mit tragischer Liebe, hoffnungsvollen Verliererinnen und bittersüßer, vielschichtiger Bildsprache.

Baker war schon immer eine bildgewaltige Musikerin, einer ihrer stärksten Songs ist ein Gleichnis zwischen Schattenboxen und dem Kampf gegen die eigenen schlimmsten Impulse. Doch auf dieser gemeinsamen LP nimmt ihre Metaphorik eine neue Form an – was auch an der musikalischen Form des Albums liegt: Obwohl beide Musikerinnen ihre Wurzeln in den US-Südstaaten haben (jeweils in Tennessee und Georgia) und in ihren Songs auch bisher gerne mit Americana-Elementen experimentierten, ist „Send A Prayer My Way“ ihr erstes Outlaw-Country-Album.

Neue Abzweigungen auf ausgetretenen Pfaden

Dementsprechend staubig beginnt die LP, mit dem Duett „Dirt“: mit Fiedel, Pedal-Steel, und zart gezupfter Akustikgitarre. Das musikalische Highlight sind aber die Harmonien. Dass Baker eine meisterhafte stimmliche Teamplayerin ist, hat sie bereits als Teil von Boygenius, der wahrscheinlich wichtigsten Supergroup dieser Tage zu genüge bewiesen. Doch was sie hier gemeinsam mit ihrer neuen Country-Partnerin macht, übertrifft ihre Arbeit mit Lucy Dacus und Phoebe Bridgers sogar noch: Bakers hohe, kräftige Stimme schmiegt sich um Torres’ tieferes, samtenes Organ. Gemeinsam singen sie vom ersten Anruf nach dem letzten Drink und vom Aufwachen auf der Straße: „Spend your whole life gettin clean / Just to wind up in the dirt“.

Dass hier zwei queere Frauen dieses männlich geprägte Genre erobern, ist nur eine der Sensationen von „Send A Prayer My Way“. Die noch größere ist das Songwriting: Baker und Torres finden auf den ausgetretenen Pfade des Country neue Abzweigungen, lassen olle Klischees wieder aufregend und emotional wirken. Zeilen wie „I lost my woman / So I went swimmin‘ in a river of Four Roses / Next thing I knew I was horizontal and my friends / Were fishin me out the bottom of a bottle“ müssten eigentlich abgedroschen daherkommen, tun sie aber nicht. Zu mächtig sind die Harmonien dieser beiden Stimmen, das telepathische Zusammenspiel dieser beiden Künstlerinnen. Das sogar eine schunkelige Linedance-Nummer wie „The Only Marble I’ve Got Left“ in himmlische Musik verwandeln kann.

Veröffentlichung: 18. April 2025
Label: Matador Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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