Wand – „Plum“ (Album der Woche)

Plum von WandWand – „Plum“ (Drag City)

Das Gesicht der stagnierenden Rock-Musik namens Eric Clapton proklamierte neulich bei einem Auftritt beim Internationalen Film-Festival in Toronto: „Vielleicht ist das Zeitalter der Gitarren vorbei.“ Es fällt leicht, dem alten Mann bei seiner im Jahr 2017 nun auch wirklich nicht mehr überraschenden These zuzustimmen. Umso schöner, dass es immer noch Bands wie Wand gibt: Eine Band, die die verstaubten Sechs-Saiter wieder frisch und originell klingen lassen kann.

Das Psychedelic-Rock-Quintett aus Los Angeles hat seine Wurzeln tief im US-amerikanischen Garage-Rock-Revival: Frontmann Cory Hanson und Schlagzeuger Evan Burrows sind Mitglieder in Ty Segalls Live-Band The Muggers, all ihre Alben erschienen auf dem Szene-Label Drag City Records. Auf ihrem vierten Album „Plum“ demonstrieren sie nun ihre übersprudelnde Fantasie und liefern eine der einfallsreichsten Rock-Platten der letzten Jahre ab.

Schon der namensgebende zweite Song beweist den großen Ideenreichtum dieser Band: Präzise Klavier-Akkorde und das stolpernde Schlagzeug geben einen seltsamen Puls an, über dem sich Hanson mit seinem weichen Organ ausbreitet. Erst nach eineinhalb Minuten melden sich die elektrischen Gitarren mit einer verspielten, zweistimmigen Lead-Melodie zu Wort. Sie pendeln stets zwischen Kon- und Dissonanz, während im Hintergrund eine dezente Zirkus-Orgel subtilen Wahnsinn andeutet.

Der nächste Song „Bee-Karma“ beginnt mit einem mächtigen Riff und deutlich mehr Rock-Feeling, das aber sofort von einer zarten Dream-Pop-Strophe abgelöst wird. Spätestens hier lassen Wand ihre großen Melodien aus dem Sack: Sowohl das Riff als auch Strophe, Refrain und Bridge haben allesamt Ohrwurm-Potential. Auch die seltsamen Stücke wie das verschlafene „Charles De Gaulles“ oder das manisch-synkopische „White Cat“ graben sich direkt in den Gehörgang ein.

Die größten Highlights haben Wand jedoch ganz am Ende versteckt: „Blue Cloud“ und „Driving“ sind über sieben Minuten lange Weird-Rock-Epen. In ersterem steigern sich die beiden Gitarren in ein höchst-melodisches, zweistimmiges Gitarren-Duell hinein, das man in der Qualität wahrscheinlich zuletzt so auf alten Television-Platten gehört hat. Die Instrumente konkurrieren dabei nicht in rockstarmäßiger Fassung, sondern tragen sich gegenseitig in immer höhere Klangsphären hinauf, bis der Song gen Ende in einer fantastischen Kakophonie gipfelt.

Und das abschließende „Driving“ ist eine hinreißende Balladen-Hymne, die sich alle Zeit der Welt nimmt und auch vor einem bis zum Anschlag verzerrten, kathartischen Dinosaur-Jr.-Solo nicht zurückschreckt. Spätestens nach diesen sieben Minuten möchte man den alten Clapton an den Schultern packen und diese Platte in seine schwieligen Hände drücken. Und sich gemeinsam freuen, dass die Gitarrenmusik doch noch zu retten sein könnte.

Veröffentlichung: 22. September 2017
Label: Drag City

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