Jlin – „Black Origami“ (Rezension)

Cover des Albums Jlin – „Black Origami“ (Planet Mu Records)

Erscheint: 19. Mai 2017
Facebook: Jlin
Label: Planet Mu

8,7

Schon ein Blick auf das Cover zeigt, worum es hier geht: Die dort abgebildete Origami-Figur eines Elefanten lässt eine umfangreiche und komplexe Anleitung als Grundlage vermuten, deren erfolgreiche Ausführung wohl nur professionellen FalterInnen gelingt. In Bezug auf die Musik, um die es hier gehen soll, ist jedoch nicht unbedingt diese Komplexität interessant, sondern vielmehr die Materialität der Figur, die als Sinnbild dient. Sie ist nämlich nicht aus Papier gefaltet, sondern aus Metall. Ihre Herstellung erfordert grenzenlose, nahezu unendliche Kraft. „Black Origami“, das neue Album der US-amerikanischen Künstlerin Jerrilynn Patton alias Jlin, ist durchweg geprägt von solch einem enormen Kraftaufwand und kompromissloser Konzentration. Beides ist präsent in allen zwölf Songs auf „Black Origami“.

Zwar folgen die grundlegenden musikalischen Strukturen deutlich rhythmischen Mustern, die stringent an Jlins Erstlingswerk „Dark Energy“ aus dem Jahr 2015 anknüpfen, doch beschränkt sie sich hier weniger auf Synthesizer und Drum Machines, die so typisch für Footwork und Bass stehen, Stile, mit denen Jlins bisheriges Werk vorrangig in Verbindung gesetzt wird. Sie nutzt auf „Black Origami“ vielmehr Elemente, die sich vor allem auch der räumlichen Verortung dieser musikalischen Schubladen entziehen. Da erklingen dann im Track „Kyanite“ diverse Blasinstrumente und Schlagwerk, welche beispielsweise als Leitmotive aus arabischer Musik bekannt sind. Auf „Nyakinyua Rise“ sind indigen anmutende Stimmen und Schreie zu hören und auf „Challenge (To Be Continued)“, dem letzten Track des Albums, faltet Jlin dann einfach mal so eine komplette Marching Band zu etwas Neuem zusammen. Besonders eindrucksvoll wirkt diese Bandbreite, weil Jlin nahezu all diese Sounds selbst produziert, nichts hier ist ein Sample. Der erwähnte enorme Kraftaufwand von Jlins Produktion wird so mehr als deutlich.
Unter all dem liegt immer ein wildes Konstrukt aus diversen Drumtracks, das fieberhaft und hyperaktiv immer in alle Ecken ausschlägt und dabei keine Ruhe lässt. So mündet „Black Origami“ mitunter schon mal in kakophonisch-perkussivem Chaos, doch die einzelnen Elemente der Tracks springen dabei wieder und wieder klar heraus aus der Gesamtheit.

Auf den meisten Tracks des Albums findet sich dazu kaum etwas von dem typischen Hall und dröhnenden Wummern, von klassischen Basslines sind nur Fragmente erkennbar und die ebenfalls genretypischen Hupen und Pfeifen sind auf kürzeste Soundbytes reduziert. Das Material, das Jlin hier verwendet, ist massiv, aber in seiner Struktur zusammengewebt wie ein Teppich. Alles klingt unglaublich direkt. Es lebt, ist dabei aber kalt und unnahbar, es zerrt nervös und mechanisch an den Nerven. Genau das ist es, was Jlins zweite Platte so aufregend macht. Jlin macht hier etwas anders, sie schafft es, auf „Black Origami“ ihre Musik wirklich zu entgrenzen, indem sie permanent vor allem ihre eigenen Grenzen bewusst überschreitet.

„Black Origami“ ist umgeben von einer Dunkelheit und Schwärze, die alles andere als destruktiv ist. Vielmehr bildet sie die Grundlage der Produktivität Jlins und spiegelt sich in den Wirren dieses rhythmischen Strudels wider. In Bezug auf Origami bleibt die aus der Nähe von Chicago stammende Produzentin übrigens bei einer einfachen Definition der japanischen Faltkunst: „The simple definition of origami is the art of folding and constructing paper into a beautiful, yet complex design. Composing music for me is like origami, only I’m replacing paper with sound.“ Hört man mit diesem Vorwissen ihre Musik wird schnell klar, dass Jlin eine Meisterin dieser Kunst ist.

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