Staatsakt
5,2
Inzwischen fragt man sich ja wirklich, warum Bonaparte noch neue Alben produzieren. Ihre Karriere kam erst durch die Live-Auftritte ins Rollen und so bewegt sich dieses nie erschöpfende Künstlerkollektiv in ganz Europa auf und ab und verwandelt jedes noch so spießige und prüde Dorf in eine ungezügelte und ausgelassene Orgie, bei der die Vernunft oft zu Hause bleibt und die Triebe umso mehr wüten.
Nun, warum ein drittes Album? Sicher ist es schön, neues Material in den Händen zu halten, welches auch optisch ganz ansehnlich ist. Doch verdient die Band – nach eigenen Aussagen – keinen Cent an den CD-Verkäufen, außer womöglich das Label selbst. Also, warum nicht die – oftmals – energieraubenden Aufnahmen sein lassen und dafür länger und ausgiebiger live unterwegs sein – es gab Zeiten, da gaben Bonaparte drei Auftritte an einem Tag. Wieso können die Songs nicht einfach auf Tour, im Bus, auf der Bühne oder sonst wo entstehen, ohne auf ein Album abzuzielen? Und falls sich Zeit findet, können die Songs dennoch aufgenommen und online gestellt werden, woraufhin sie sich der Fan für einen frei wählbaren Betrag herunterladen darf.
Wäre auf diese Weise nicht allen geholfen? Der Hörer hätte keine großen Erwartungen, der Interpret dagegen nicht mit diesen zu kämpfen. Die Künstler müssten sich nicht mehr über die Verbreitung ihrer Musik im Netz aufregen. Zudem ständen sie nicht unter dem Druck, ein ganzes Album fertigzustellen, und wahrscheinlich würden sie auf diese Weise – allein durch den Download auf Spendenbasis – sogar finanziell etwas herausschlagen. Denn keine Produktions- oder gar Werbekosten – diese haben sie schon lange nicht mehr nötig – müssten einkalkuliert werden. Vielleicht wären auf diesem Weg sogar diejenigen dazu bereit, etwas zu zahlen, welche sonst nicht das Geld für ein Album aufbringen können und es sich deshalb lieber anderweitig besorgen.
Warum aber nun dieses Gedankenspiel? Erstens, weil Bonaparte wahrscheinlich ein Musterbeispiel einer Band ist, bei der diese Strategie aufgehen könnte und zweitens, da der Hörer von all dem Zirkus und der Magie eher wenig spürt.
Die ehemals ständig wechselnde Formation um den Bonaparte-Kaiser Tobias Jundt ist in letzter Zeit zu einer Familie zusammengewachsen. Ob diese feste Struktur im Hause Bonaparte jedoch von Vorteil ist, dieses Urteil sollte jeder mit sich selbst ausmachen. Wir bekommen eine bunte Suppe geboten, bestehend aus einer Takt-gebenden Drum-Machine, schrillen sowie rauen Synthies, dezent verschrobenen Gitarren, ein bisschen Funk, etwas Rock und viel Electroclash. So changiert „Sorry, We’re Open“ zwischen Broadway-Persiflage, Matrosen-Charme, Videospiel-Gedudel, schwungvollen Kindermelodien und einer berauschten New-Wave-Ästhetik. Vor allem aber verkörpern Bonaparte eine moderne Version des Punk, die sich selbst ungern ernst nimmt, über Humor und Kunst auch gern Kritik übt und zum Nachdenken anregen sowie zum hemmungslosen Feiern verführen möchte. Zwischen den ganzen kecken Anspielungen und Geschichten bricht das musikalische Kreativpotential jedoch von Mal zu Mal mehr in sich zusammen. Nachdem die ersten acht Tracks noch Hoffnung geben und mit ihrer Wandlungsfähigkeit glänzen, scheinen daraufhin die Ideen erschöpft zu sein, und das Album vereendet auf halber Strecke im Sample-Sumpf und versucht, durch wild gestreute Effekte von der Einfallslosigkeit abzulenken.
Sollte das Kollektiv nicht doch einmal darüber nachdenken, die konventionellen Albenproduktionen sein zu lassen und sich voll dem Live-Gedanken hinzugeben? Doch auch musikalisch sollte es nicht unterschätzt werden – die Formation besitzt Potenzial, welches sie nur nicht immer auszuschöpfen weiß. Vielleicht hat Bonaparte inzwischen auch ein zweifelhaftes Ego entwickelt und steht sich nun damit oftmals selbst im Weg. Schwer ist es anders zu erklären, warum sich nun erstmalig Warner um die Vermarktung ihrer Platte kümmert.
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