Sharon Van Etten im Interview

Sharon Van Etten - Sharon Van Etten – „Are We There“ (Jagjaguwar)

Mit freundlicher Unterstützung von NAD.

Heute, am 23. Mai 2014, erscheint das neue, vierte Album der in New York lebenden Musikerin Sharon Van Etten. Es heißt „Are We There“. Oliver Stangl hat Sharon Van Etten zum Interview getroffen und mit ihr über Lebenswege, Beziehungen und Freundschaften gesprochen, und natürlich auch über ihr neues Album. Es sei das persönlichste Album, das sie bisher aufgenommen hat, und vielleicht auch das schwerste, sagt Van Etten im Interview. Gleichzeitig ist es aber auch sehr soulig und hat viele R’n’B-Einflüsse. „Are We There“ ist kein Rock-Album, aber ein Album, das mit der Zeit beim Hören wächst.

In der Tat – es sind keine leichten, geschweige denn unbeschwerte Songs, die Sharon Van Etten für ihr neues Album geschrieben hat. Zum ersten Mal hielt sie bei der Entstehung das Heft komplett selbst in der Hand. Nach ihrem letzten Album „Tramp“, das Aaron Dessner von The National produziert hat, war das ein ganz wichtiger Schritt, wie Sharon Van Etten sagt.

„In Interviews wollten die Leute mit mir sehr oft vor allem über die ganzen berühmten Musiker reden, die auf „Tramp“ mit dabei waren. Das Selbstvertrauen in mein Songwriting geriet dadurch ins Wanken. Ich denke, das war vor allem meine eigene Unsicherheit. Aber trotzdem – mir war klar: das nächste Mal musst Du es alleine versuchen. Um zu zeigen: Das Herz eines Albums sind vor allem meine Songs, und keine berühmten Namen. Das wollte ich beweisen, allen voran mir selbst.

Nicht nur ihr Songwriting wollte Sharon Van Etten mit dem neuen Album auf den Prüfstand stellen, auch ihr eigenes Leben. Das spiegelt sich auch im Albumtitel wider: „Are We There“ ist für Sharon Van Etten vor allem auch die Frage „Wo bin ich eigentlich gerade?“.

„Ich frage mich das sehr oft: bin ich auf dem richtigen Weg? Bin ich wirklich ich selbst? Zum einen ging es um meine Beziehung, und die Frage, wo wir beide zu diesem Zeitpunkt waren. Aber auch um meine Arbeit als Musikerin: Ob ich wirklich das tat, was ich wollte. Ob ich wirklich ehrlich mit mir selbst war.

Was sich als roter Faden durch dieses Album zieht, ist die Frage, wie man Karriere und Beziehungen miteinander in Einklang bringt. Zu lernen, eine gute Partnerin, eine gute Tochter oder eine gute Freundin zu sein – auch wenn man neun Monate im Jahr auf Tour ist. Während man weg ist leben die Leute ihr leben weiter. Das ist manchmal hart. Auf Tour sein und zurückkommen fühlt sich an wie Zeitreisen. All diese Dinge auszubalancieren, sich zu fragen ‚Wo bin ich heute, was mache ich eigentlich?‘ – das ist sehr wichtig.“

Wo steht man im Leben, wie geht man durchs Leben, mit wem und auf welchen Wegen. Das alles steckt gewissermaßen auch im Albumcover: es zeigt das Schwarzweissfoto einer Frau, die ihren Kopf aus dem Autofenster hinaus in den Fahrtwind steckt. Ein Foto, das Sharon Van Etten vor vielen Jahren selbst gemacht hat. Ein Foto mit einer Geschichte:

„Die junge Frau auf dem Cover ist Rebecca, eine meiner besten Freundinnen. Sie hat auch das Artwork für meine ersten beiden Alben gemacht. Direkt nach der High School zog ich von zu Hause aus und lebte ein paar Jahre in Tennessee. Dort haben wir uns kennengelernt.
Wir hatten dieses Ritual: nach der Arbeit eine Packung Zigaretten und zwei Diät-Colas kaufen, und dann mit dem Auto rumfahren und laut Musik hören, so lange bis die Zigaretten alle sind. Das Foto entstand auf unserer letzten gemeinsam Fahrt, kurz bevor sich unsere beiden Leben für immer verändert haben. Rebecca ging nach Indiana, lebt dort mit ihrem Mann und hat mittlerweile zwei Kinder. Ich bin nach New York gegangen um es mit meiner Musik zu versuchen. Trotz der Entfernung sind wir uns immer noch sehr nah.“

Unterschiedliche Lebenswege, und wieder die Frage: „Are We There“, sind wir dort wo wir sein wollen? Damit aber noch nicht genug – mit dem Coverfoto ist noch eine weitere Geschichte verbunden, wie Sharon Van Etten erzählt:

„Das Bild ist außerdem das erste Foto, das ich meinem Freund geschenkt habe, als wir uns vor zehn Jahren kennengelernt haben. Wir waren zwischenzeitlich getrennt, und ich dachte, er hätte es irgendwann weggeschmissen. Als ich letzten Sommer bei ihm einzog, da räumte er auf um Platz für mich zu machen. Plötzlich zog der diesen Stapel mit Sachen unter seinem Bett hervor – alles was er jemals von mir bekommen hatte. Darunter war dieses Foto. Da stehe ich also, halte dieses Bild in den Händen … ich wusste bereits, dass das Album „Are We There“ heißen sollte. Aber in dem Moment war mir klar: das wird das Cover.“

Als Musikerin habe sie sehr viele Erfahrungen gemacht über die letzten Jahre, sagt Sharon Van Etten. Die Begleitmusiker seien zu ihrer ersten festen Band gewachsen. Menschen, die sie sehr unterstützen, denen sie vertraut, und für die sie sich verantwortlich fühlt. Mit ihrem Songwriting sei sie selbstbewusster, auch über sehr persönliche Dinge zu schreiben. Und auch was Produktion und Aufnahmen angeht, sei sie versierter geworden. Dennoch, so Sharon Van Etten weiter, es gäbe noch viel zu lernen, sie hoffe, dass sie weiterhin jede Menge Erfahrungen sammeln können wird. Und diese Erfahrungen müssen auch nicht unbedingt immer mit ihrer eigenen Musik zu tun haben.

„Ich würde gern weiterhin mit anderen Künstlern zusammenarbeiten, und dabei muss es nicht immer um meine Songs gehen. Im Gegenteil: für eine Weile mal Bandmusikerin für jemand anders zu sein, das wäre sehr spannend. Zu sehen, wie andere arbeiten und mit ihrer Band kommunizieren, eine Zeit lang eine andere Musik spielen als meine eigene. Ich denke letztlich würde diese Erfahrung mich selbst und mein Songwriting weiter bringen.“

Ein Audiobeitrag über Sharon Van Etten und ihr neues Album „Are We There“ von Oliver Stangl ist heute im ByteFM Magazin am Morgen und im ByteFM Magazin am Nachmittag zu hören.

Mit freundlicher Unterstützung von NAD.

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