Rico Nasty – „Nightmare Vacation“ (Rezension)

Bild des Albumcovers von  „Nightmare Vacation“ von Rico Nasty

Rico Nasty – „Nightmare Vacation“ (Atlantic)

8,0

Tough-Talk, die Kunst, lässig und bedrohlich gleichzeitig zu sein, ist im HipHop eine der Königsdisziplinen. Rico Nasty transzendiert diese schon lange. Auf „Anger Management“, dem passend betitelten letzten Mixtape der US-amerikanischen Rapperin, war sie mehr als nur tough. Sie spuckte Dir direkt ins Gesicht. Rammte Dir den Ellenbogen in den Magen. Warf Dich zu Boden. Trat nochmal nach. Und lachte dabei. Ein Gänsehaut und Ehrfurcht erzeugendes Lachen.

Dieses Lachen hört man auch auf „OHFR“, einer der Singles ihres nun erscheinenden, offiziellen Debütalbums „Nightmare Vacation“. „They said Rico put a ten piece in her grill“, rappt sie da – und kommt zu einem gleichermaßen zerstörerischen wie selbstermächtigenden Schluss: „I been movin‘ how I want, fuck how you feel.“ Seit ihren ersten Mixtapes im Jahr 2014 ist Maria-Cecilia Simone Kelly, wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, ein von Cardi B persönlich geadelter Star geworden. Anstatt Happy Meals steht nun, laut eigener Aussage, Champagner auf ihrem Speiseplan. Blutrünstig ist die 23-Jährige aber immer noch. „Please, don’t make me have to smack a bitch / Ooh, I been itchin‘.“

Raubüberfall mit dem lyrischen Sturmgewehr

„Nightmare Vacation“ ist ein wahrer Raubüberfall auf die Sinne. Die Beats, geschmiedet von illustren Produzenten wie Trap-Dekonstrukteur Kenny Beats und den Hyper-Pop-Terroristen 100 Gecs, rasseln, blubbern, zappeln. Diese von ihr selbst als „Sugar Trap“ definierte Ästhetik verfolgt Nasty schon seit ihrem genauso betitelten Durchbruchsmixtape. Auf „Nightmare Vacation“ wird sie auf Breitbandgröße aufgepustet. Knallharter Atlanta-Trap trifft auf Nu-Metal-Crunch. Nasty spuckt ihre Bars mit der Energie eines Hardcore-Shouters. Selbst in den größten Pop-Momenten, wie in der von 100-Gecs-Hälfte Dylan Brady produzierten Single „iPhone“, ist die Grundstimmung aggressiv. Nastys vom Autotune verzerrte Stimme schneidet die Luft, während im Hintergrund Korn-Gitarren explodieren.

Wenn Nasty ein Ziel zerstören möchte, arbeitet sie nicht mit der chirurgischen Präzision, die Kolleg*innen wie Megan Thee Stallion oder Pusha T an den Tag legen. Stattdessen greift sie zum lyrischen Sturmgewehr. „On a dark and stormy night, I don’t blend in, bitch, I shine bright / I heard your favorite rapper and he sounds like all-caps, sound like all hype“, gröhlt ihre Raspelstimme im Opener „Candy“. Im Hook von „Let It Out“ bellt sie das Mantra dieses Albums: „If you wanna rage, let it out.“ Diese Wut ist ein bisschen kräftezehrend, nach 16 Songs auf diesem Energielevel muss man schonmal ein bisschen nach Luft schnappen. Rico Nasty ist das egal. Wahrscheinlich lacht sie sogar darüber.

Veröffentlichung: 4. Dezember 2020
Label: Atlantic

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