Aaron Frazer – „Introducing…“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Introducing...“ von Aaron Frazer, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Aaron Frazer – „Introducing…“ (Dead Oceans)

„Retromanie“ ist in der Diskussion über Pop-Musik wirklich kein neues Wort. Der britische Journalist Simon Reynolds diskutierte bereits vor ziemlich genau zehn Jahren in seinem Buch „Retromania“ die Rückwärtsgewandheit des Pop – sowohl in den Charts als auch in den Indie-Plattenkisten. Von „einem Zeitalter des Pop, das völlig verrückt nach Erinnerung ist“, schrieb er damals. Auch ein Jahrzehnt nach der Veröffentlichung seines Buches scheint seine Grundthese immer noch valide zu sein: Aus jedem halbwegs runden Jubiläum jedes ansatzweise Klassikerstatus genießenden Albums wird nach wie vor maximaler Profit herausgeschlagen, während der Musikmarkt – heute ebenso wie 2011 – von unzähligen Bands überschwemmt wird, die nur wie Schatten der Vergangenheit klingen. Die Retro-Industrie boomt noch immer.

Dass das überhaupt nichts schlimmes sein muss, zeigt Aaron Frazer. Der in Baltimore geborene Musiker macht schon seit ein paar Jahren Musik, die ziemlich alte Wurzeln hat: Seit 2016 ist er Schlagzeuger und Background-Sänger von The Indications, der Band des in Indiana residierenden Retro-Soul-Sängers Durand Jones. Auf dessen Platten kann man im Hintergrund eine himmelhohe Falsettstimme hören, eine betörende Mischung aus Curtis Mayfield, Barry Gibb und Frankie Valli. Sie gehört zu Frazer. Nun stellt er diese Stimme in den Vordergrund – und zwar mit seinem Solodebüt „Introducing…“.

Swingen mit erhobenem Mittelfinger

Retromanie-Skeptiker*innen können bei diesem Album einige rote Fahnen erkennen: Am Mischpult sitzt Dan Auerbach, der mit seiner Band The Black Keys das Recycling von alten Blues-Riffs zur Karriere gemacht hat. Als Co-Songwriter engagierte Auerbach den 80-jährigen L. Russel Brown, der seinerzeit Hits für The Four Seasons, Tony Orlando und die Partridge Familie schrieb. Zu den Sessionmusiker*innen zählen Mitglieder der legendären Sound-Studio-Hausband The Memphis Boys, zu hören unter anderem auf Dusty Springfields „Son Of A Preacher Man“ oder Elvis Presleys „In The Ghetto“.

Die Skeptiker*innen verpassen dabei aber den essentiellen Punkt. „Introducing…“ macht nämlich Spaß. Sehr viel Spaß. Wie ein fleißig cratediggender DJ führt Frazer einen von einem nostalgischen Endorphin-Rush zum nächsten. Von der leidenschaftlich eröffnenden Soul-Ballade „You Don‘t Wanna Be My Baby“ bis zum versöhnlich abschließenden Jazz-Walzer „Leanin‘ On Your Everlasting Love“ verschwendet Frazer keinen Ton, keine Sekunde. Es wird mit erhobenem Mittelfinger geswingt („Over You“), es wird mit ordentlich Swagger gegroovt („Can‘t Leave You Alone“). Auch für Conscious-Soul („Bad News“) und für zarte Meditationen über verlorene Freund*innen („Done Lyin‘“) ist Platz. Vielleicht hat man diese Töne schon mal irgendwo gehört. Aber das kann einem für diese sehr unterhaltsamen 42 Minuten auch einfach mal egal sein.

Veröffentlichung: 8. Januar 2021
Label: Dead Oceans

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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