Erykah Badu – „Baduizm“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 12. Dezember 2022

Cover des Albums „Baduizm“ von Erykah Badu, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Erykah Badu – „Baduizm“ (Kedar Entertainment)

Da zum Jahresende traditionell wenig neue Musik veröffentlicht wird, nutzen wir die Chance, den Blick nach hinten zu richten: Statt neuer Langspieler stellen wir wegweisende Alben vor, die 2022 ein Jubiläum gefeiert haben. In dieser Woche ist es „Baduizm“ von Erykah Badu, das in diesem Jahr 25 Jahre alt geworden ist.

Wir schreiben das Jahr 1637. Erykah Badu spaziert durch das „Motherland“, ein nicht näher spezifiziertes afrikanisches Reich. Sie fühlt sich zu einem Mann ihres Dorfs hingezogen, doch ist leider schon „already someone’s girl“. Wir springen ein paar Jahrhunderte in die Zukunft, in die revolutionären 1960er-Jahre. Der romantische Inhalt der Geschichte wiederholt sich, diesmal nicht im Mutterland, sondern innerhalb der Black-Panther-Bewegung. Ein weiterer Zeitsprung führt uns ins ferne Jahr 3037, zurück ins „Motherland“. Die Farben sind knalliger und schriller, der Look gleichzeitig traditionell und unverkennbar spacig (afrofuturistisch, könnte man meinen), doch die Liebesgeschichte ist die gleiche. Die gleichen Figuren, die gleiche Stimmung, nur eine andere Zeit. Die inhaltliche Zusammenfassung dieses Musikvideos zu „Next Lifetime“ mag sich wie eine Tragödie lesen. Doch Badus Text erzählt etwas anderes: Hoffentlich sehen wir uns im nächsten Leben wieder, singt sie mit spürbarer Wärme im Refrain. „Maybe we will be butterflies / That sounds so divine.“

Radikale Ideen

In diesem Video und diesem Song lässt sich so ziemlich alles finden, was „Baduizm“, das dazugehörige Debütalbum der US-amerikanischen Musikerin, auch 25 Jahre nach der Veröffentlichung zu solch einem monumentalen R&B-Kunstwerk macht. Zum Beispiel die selbstbewusste Auseinandersetzung mit Badus Wurzeln. Die beginnt schon beim Album-Cover: Ein markantes Profil-Porträt von Badu, ihr Gesicht von einem großen Turban verhüllt. Die 1971 in Texas geborene Erykah legte ihren Geburtsnamen „Erica“ ab, da er ihrer Meinung nach ein „Sklavenname“ war. Als sie Mitte der 90er-Jahre gemeinsam mit ihrem Cousin Robert Bradford ihre musikalische Karriere begann, wurde ihr Kopftuch zu einem Markenzeichen. Bei einem Auftritt in der US-Fernsehshow „Planet Groove“ im Jahr 1997 hüllte sie ihre Bühne in Duftkerzen-Rauch, beim anschließenden Interview schlürfte sie Kräutertee. Ihr Auftreten war eine unmissverständliche Zelebrierung Schwarzer Weiblichkeit und Spiritualität, die im radikalen Kontrast zum glamourösen Diva-Chic stand, der andere Stars des 90er-R&Bs auszeichnete.

Auch abseits der puren Ästhetik setzte sich Badu auf „Baduizm“ mit Schwarzer Geschichte und Esoterik auseinander. Die immens erfolgreiche Single „On & On“ ist mit Lehren der „Five-Percent Nation“ gespickt, eine in den 60er-Jahren in New York gegründete Black-Nationalist-Bewegung, laut der Schwarze Menschen das ursprüngliche Volk der Erde sind – und die Schwarze Menschen als „Mütter“ und „Väter“ unserer Zivilisation begreift. „Most intellects do not believe in God / But they fear us just the same“, singt Badu in „On & On“. Die Betonung liegt auf „us“. Sie haben Angst vor „uns“, den Göttern.

Transzendentale Wärme

Darin liegt die größte Meisterleistung von „Baduizm“: Diese radikalen Ideen verpackte Erykah Badu in entspannte R&B-Songs. Mit dem jazzigen Melodiegespür einer Billie Holiday schlendert sie durch die maximal zurückgelehnten Instrumentals. Viele der Songs basieren auf live im Studio gespielten Groove, unter anderen von The Roots. Viel wurde bereits geschrieben über diesen sogenannten Neo-Soul-Sound. Etabliert wurde dieser Begriff vom Manager Kedar Massenburg Ende der 90er-Jahre als Verkaufsstrategie. Als catchy Sammelbegriff für den bewusst analogen, schlauen, knisternden Sound seines Klienten D’Angelo (und seiner späteren Klientin Badu) – und als Abgrenzung zum die Charts dominierenden Mainstream-Pop-R&B. Badu wurde nach „Baduizm“ als Königin dieses Sub-Genres deklariert. Eine Zuschreibung, die sie selbst, ebenso wie die Genrebezeichnung, ablehnte.

Die Songs dieses Albums überwinden solch Schubladendenken ohnehin. Badus Mischung aus Jazz, Soul und HipHop strahlt eine Wärme aus, die ihresgleichen sucht. Das omnipräsente Bindeglied ist die Liebe, wie schon „Next Lifetime“ demonstriert. Keine aufgesetzt performte Leidenschaft, kein großes Melodrama. Sondern eine transzendentale Verbundenheit.

„Baduizm“ bei ByteFM

Ausgiebig mit dem Album hat sich auch ByteFM Moderator Christian Tjaben in seiner Sendung School Of Rock beschäftigt. Mitglieder im Förderverein „Freunde von ByteFM“ können die Sendung vom 29. Januar dieses Jahres in unserem Archiv nachhören. Dem „Baduizm“-Song „Certainly“ widmet Goetz Steeger am 14. Dezember 2022 die aktuelle Ausgabe seiner Sendung PopKocher.

Veröffentlichung: 11. Februar 1997
Label: Kedar Entertainment

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    p_stella
    Apr 27, 2023 Reply

    Grossartig Lady des R&B, tolle Lyriks – danke fürs immer wieder spielen bei ByteFM.

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