Stella Sommer – „Silence Wore A Silver Coat“ (Album der Woche)

Cover des Albums „Silence Wore A Silver Coat“ von Stella Sommer, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Stella Sommer – „Silence Wore A Silver Coat“ (Buback)

In Stella Sommers Dunkelheit ist ein Platz für Dich. Das Gästezimmer ist frei, den Schlüssel legt sie Dir bereit. Auch eine Zahnbürste ist dort für Dich. So singt die in Berlin lebende Musikerin in „In My Darkness“, einer Single ihres dritten Soloalbums „Silence Wore A Silver Coat“. Mit 24 Songs handelt es sich um eine ziemlich weitläufige Dunkelheit, die Sommer hier geschaffen hat. Doch sie ist nie erdrückend. Es ist nicht ihr erstes Doppelalbum, 2016 veröffentlichte sie mit ihrer Band Die Heiterkeit ein ähnlich umfangreiches Werk namens „Pop & Tod I + II“. Doch dieses neue Album ist das bisher vielleicht einladenste ihrer Karriere.

Dunkelheit & Empathie

Doch kehren wir erst einmal zu der Dunkelheit zurück. So ziemlich jeder über Stella Sommers Musik verfasste Text beinhaltet einen Satz über die „dunkle Klangfarbe“ ihrer Stimme (Bonus-Bingo-Punkte gibt es für einen Vergleich mit Nico oder Hildegard Knef). Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn wer Sommers Gesang nur auf die düstere Ebene beschränkt, überhört das Wichtigste: die Wärme. Und die wirkt auf „Silence Wore A Silver Coat“ ganz besonders. Wie auch Sommers vergangenene Solo-LPs „13 Kinds Of Happiness“ und „Northern Dancer“ ist die Musik dieser Platte zum Großteil ein gemütliches, nostalgisches Amalgam aus 60er-Jahre-Pop und 70er-Jahre-Folk. Doch die Schöpferin dieser herbstlichen Klänge wirkt im Verlauf dieses Doppelalbums befreiter als je zuvor – „Under The Weeping Mulberry Tree“ endet sogar in triumphalem Jauchzen. Das mag vielleicht daran liegen, dass „Silence Wore A Silver Coat“ Sommers erste in Eigenregie entstandene LP ist. Auch wenn sie ihre Komfortzone nie lange verlässt, ist die schiere Freude am Musikmachen in jeder Note dieser 24 Songs spürbar.

Diese ansteckende Freude und warmen Farben stehen in interessantem Verhältnis zu den Texten von „Silence Wore A Silver Coat“. Sommer zeigt sich hier nämlich – wie gewohnt – als Zeichnerin trauriger Szenen. Manchmal sogar im wörtlichem Sinne: „I tried to paint sadness again / But sadness won’t sit still.“ „Emptyness follows / Wherever I go“, singt sie kurz vor Ende des Albums. In „Selling Disappointment“ findet sie fast schon zynische Worte für ihren Job: Sie verkauft Enttäuschungen, als Gute-Nacht-Snack. „Silence Wore A Silver Coat“ ist kein Gute-Laune-Album. Es ist, wie jedes Album von Stella Sommer, ein überaus melancholisches Werk. Doch in dieser Traurigkeit ist etwas anders als sonst: Sie ist nicht einsam. Traurige Musik und traurige Kunst gibt es wie Sand am Meer. Empathische Kunst weniger. In Stella Sommers Dunkelheit ist ein Platz für Dich. Und im Keller ist stets genug Wein. Für den Fall, dass Du traurig sein solltest.

Veröffentlichung: 25. November 2022
Label: Buback

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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