Warmduscher – „Too Cold To Hold“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 18. November 2024

Cover des Albums „Too Cold To Hold“ von Warmduscher

Warmduscher – „Too Cold To Hold“ (Strap Originals)

Irvine Welsh nimmt einen Zug von der DMT-Pfeife. Umgeben von einem Kamerateam setzt der britische Autor eine Schlafmaske auf und lässt das Dimethyltryptamin in seinen Organismus strömen. „I felt my body slowly desolve into digital dots“, beschreibt er zu Beginn von „Too Cold To Hold“, mit breitem schottischen Akzent. Welsh ist als Schöpfer des großen Heroin-Romans „Trainspotting“ ein Experte für das Fühlbarmachen des Rausches. Den DMT-Rausch erklärt er als eine pränatale Erfahrung, ein Wiederkehren in den Mutterleib. Wenn er wieder zu klarem Bewusstsein kommt, ist er enttäuscht darüber, geboren zu sein. So beginnt das fünfte Album von Warmduscher – mit einer psychedelischen Wiedergeburt.

Eine treffende Eröffnung für die bisher eklektizistischste LP der Londoner Band. „Too Cold To Hold“ ist zwar, wie auch die vorigen Platten des Sextetts, durch und durch ein Post-Punk-Album. Die Bässe sind melodisch und treibend, die Gitarren kantig und der Sprechgesang in bester Mark-E.-Smith-Tradition herausgespuckt. So weit, so bekannt. Doch dieses Fundament wird von Warmduscher auf jedem der elf Songs in neue Richtungen gedacht. Wie die Band selbst über sich sagt: „Die generelle Formel für Warmduscher ist Chaos“.

Wie eine Blume, nur stärker

Welshs Spoken-Word-Trip ist nur der Anfang: Direkt im zweiten Song, „Fashion Week“, überrascht die Band mit einem aus hektisch synkopierten Dreiergruppen konstruierten Rhythmus, inspiriert vom südafrikanischen Gqom. Über diesen hypnotischen Groove singt Craig Higgins vergiftete Zeilen über die High-Fashion-Industrie. „Out of the house with brand new faces / One of a kind synthetic fabrications.“ Auch hier geht es um den Kreislauf des Rausches. Aber nicht zum Selbstzweck, sondern als einzige Möglichkeit, dem Druck standzuhalten. „Fifty hours overtime / Cant get no sleep.[…] Monday we’ll come down / But Wednesday we’ll be back.“

Dem Warmduscher-Chaos entsprechend geht es ungestüm weiter: Catchy Britpop-Songs (mit Gastgesang von u. a. Lianne La Havas) wie „Pure At Heart“ und „Out Of Body“ gehen Hand in Hand mit dissonanten No-Wave-Grooves, wie im von aggressiven Chicken-Scratch-Gitarren angetriebenen „Top Shelf“ oder dem mit schrägen Klavier-Tupfern ausstaffierten Titelstück. „Weeds In Your Garden“ entführt die Band zum Abschluss in seltsame, an Tom Waits erinnernde New-Orleans-Jazz-Gefilde. „Too Cold To Hold“ zeigt eine Band in stetigem Wachstum – die mit jedem Album besser zu werden scheint. Wie Higgins im Abschluss selbst singt, begleitet von windschiefen Klarinetten: „We’ll be weeds in your garden / Forever growing / Like a flower, only stronger.“

Veröffentlichung: 15. November 2024
Label: Strap Originals

 

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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