Kraftwerk – „Autobahn“ (Philips Records)
Bei der Abmischung des vierten Studioalbums der Düsseldorfer Band Kraftwerk rechneten die Beteiligten nicht damit, dass ihnen ein Monument der Musikgeschichte gelungen war. Ein Irrtum, gilt das Album, das am 1. November 1974 beim Label Philips erschien, doch heute als Referenzwerk der elektronischen Popmusik. Die Platte zementierte mit ihrer Experimentierfreude den Kraftwerks Übergang von einer avantgardistischen Krautrockband hin zu einer Gruppe, die mehrheitlich Synthesizer und Drum-Computer einsetzte. Mit „Autobahn“ wurde auch das künftige Image von Kraftwerk als Maschinenmusiker eingeübt.
Die LP besteht aus fünf Stücken, die allesamt von den Kraftwerk-Gründern Ralf Hütter und Florian Schneider komponiert wurden. Der Titeltrack „Autobahn“ nimmt mit 22 Minuten und 30 Sekunden die komplette erste Seite ein. Die Kometenmelodien 1 und 2, bereits 1973 als Single veröffentlicht, sind anfangs eher elektronische Soundexperimente, bevor es im zweiten Teil rhythmisch zackiger wird. „Mitternacht“ und „Morgenspaziergang“ sind atmosphärische Klangreisen durch die Natur, wirken einerseits minimalistisch und unheilvoll-düster, anderseits durch imitierte Vogelstimmen und Flötenklang optimistisch-fröhlich. Auf dieser Platte wurden auch zum letzten Mal konventionelle Instrumente eingesetzt.
Neue Identität und Bildsprache
Während die anderen Tracks eher Beiwerk waren, wurde das Titelstück „Autobahn“ zum Markenzeichen der neuen Klangästhetik von Kraftwerk. Sie erkannten die Möglichkeiten, die die Synthesizer-Technologie für neue Popmusik bot, und setzten diese in Verbindung mit Schlagzeug-Maschinen zur Herstellung von relativ monoton-repetitiven Passagen ein. Die Eingangssequenz des Songs mit dem startenden Wagen stammt von einer Geräuschplatte, Wind- und Motorengeräusche wurden hingegen vom Synthesizer erzeugt. Der Track sollte dem damaligen Band-Drummer Wolfgang Flür zufolge, eine Autofahrt von Düsseldorf nach Hamburg nachempfinden.
Nachdem die Ölkrise 1973 die deutschen Autofahrer*innen zu zeitweiligem Fahrverbot und Tempolimit zwang, setzen Kraftwerk der Autobahn ein nostalgisches Denkmal. Sie schufen die perfekte klangliche Abbildung einer alltäglichen und oft hypnotisch-monotonen Autobahnfahrt in der westdeutschen Wirtschaftswunderwelt mit ihrer Technik-Romantik. Die ikonische Textzeile „Wir fahr‘n, fahr‘n, fahr‘n auf der Autobahn“ markierte den Beginn von Gesang in den Songs von Kraftwerk. Auch durch die Zusammenarbeit mit dem Künstler Emil Schult, der das Cover gestaltete, entwickelten Kraftwerk eine neue Identität und Bildsprache. Der ehemalige Beuys-Schüler kümmerte sich auch nach dem „Autobahn“-Album um das Artwork und war an Songtexten, wie etwa bei „Radioactivity“, beteiligt.
Kommerziell war „Autobahn“ sehr erfolgreich, und das besonders in den USA, womit kaum jemand gerechnet hatte. College-Radios spielten das Album immer wieder, sodass es zuerst zum Geheimtipp reifte und es sogar bis auf Platz fünf der Albumcharts schaffte. Die auf drei Minuten 27 Sekunden heruntergestutzte Single-Version des Titeltracks erreichte Platz 25 der Billboard Hot 100. Der US-Erfolg beflügelte auch die Verkaufszahlen für Album und Single in Westdeutschland.
Das Album „Autobahn“ war ein Geniestreich mit Auswirkungen auf zukünftige Richtungen der elektronischen Musik und begründete den Ruf von Kraftwerk als Pioniere des Elektropop.
Veröffentlichung: 1. November 1974
Label: Philips Records
Diskussionen
1 KommentareSchütte
Nov 1, 2024Einfach genial und dann 2024 zu schreiben wie innovativ diese Gruppe schon 1974 gewesen ist. Gehört zu meiner Musik aus den 70ern. Bin schon älter aber so ist die Musik von damals.
Tolle Grüße von Peter.👌