Handclaps und Homosexualität – Jon Savage über Chicago-House bei Freitag.de

(Bild: House-Pionier Frankie Knuckles)

Zwanzig Jahre Chicago-Musik: Die britische Popjournalistenlegende Jon Savage erinnert an die Anfänge der Bewegung in Chigago

Selbst auf schlechten DJ International- und Trax-Pressungen klingt der frühe Chicago-House noch fantastisch. Futuristisch, brutal, minimal und funky schwört er Stimmungen herauf, die von verträumt-erhebend (Finger Incs Mystery of Love), über Drogen-umnachtet (Sleezy Ds I’ve Lost Control, Phutures Your only friend) bis hin zu derbe (Maurice Joshuas I Gotta Big Dick) und ausgesprochen dreckig (Professor Dicks Sensous Woman Goes Disco) reichen.

Wie in den Jahren 1973/74 die Disco-Musik, entstand der House in den Clubs der Latinos, Schwarzen und Gays. Als Geburtsort wird am häufigsten der Chicagoer Club Warehouse in den Jahren zwischen 1977 und 82, als Frankie Knuckles dort Resident-DJ war, genannt. Während dieser Periode wurde Disco ein böses Wort: Im Jahr 1978 – nach Saturday Night Fever – eine Mainstream-Obsession, wurde das Genre in das Schicksal aller Stile verbannt, deren Zeit abgelaufen ist – mit zusätzlicher Boshaftigkeit, die viele für das Resultat von Homophobie hielten.

Doch der Impuls und das Bedürfnis, die Disco geschaffen hatten, waren nicht verschwunden. Die Musik ging lediglich in den Untergrund, in Clubs wie das Warehouse (das später in Music Box umbenannt wurde). Dann mutierte sie mit der damals angesagten Elektromusik und nahm dabei Eurodisco wie Klein & MBOs Dirty Talk und die ganze Kraftwerk/Afrikaa-Bambaata-Elektronik/Hip Hop-Connection mit auf. House war, wie Knuckles mir für eine Out on Tuesday-Dokumentation von 1989 sagte, „Discos Rache“.

Das Warehouse war, wie auch New Yorker Clubs wie Larry Levans Paradise Garage und David Mancusos The Loft – ein Ort, an dem der Außenseiter und der, der kurz davor stand, einer zu sein, zusammenkommen und sich sicher fühlen konnten. Sobald dies feststand, konnten sie Drogen nehmen und zu Musik durchdrehen, die genau dafür gemacht war. Einer Musik von solcher Intensität, dass sie klaustrophobisch gewesen wäre, hätte sie nicht ausreichend psychedelische Räume geboten.

In der Hitze des Tanzes lösten sich alle Grenzen auf. Wie Ray Caviano, der König der Disco-Promoter über die Paradise Garage sagte: „Es war eine Mischung und eine Vielfalt schwarzer und weißer Homosexualität. Es war ein Zusammenkommen zu einer homogenen Mischung in der vollsten Entsprechung des Wortes.“ Knuckles erinnerte sich, dass es in Chicago auf einmal schick war, entweder schwul zu sein, oder so zu tun – das machten eine Menge Heteros.“

Zum vollständigen Artikel von Jon Savage geht es hier.

Jon Savage präsentiert bei ByteFM jeden Sonntag ab 23 Uhr die Sendung Savage Music.

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