Mac DeMarco – „Another One“ (Captured Tracks)
7,9
„Another One“ heißt das neue, offizielle Album von Mac DeMarco. Noch eins, möglicherweise ist der Titel so zu verstehen, dass der 25-Jährige schon wieder nachlegt – nachdem erst vor gut einem Jahr sein letztes Album „Salad Days“ erschien, er in der Zwischenzeit mehrere Mixtapes, Singles und Jingles veröffentlicht hat und erst vor einem Monat ein Mini-Album mit dem Titel „Some Other Ones“ herauskam. Dieser andere Titel suggeriert zwar Outtakes aus den Aufnahmen zu „Another One“, ist aber fast genauso schön wie die offiziell vierte Albumveröffentlichung von DeMarco. Da er vor einigen Jahren entschieden hatte, nie wieder Musik über „absolut Nichts“ zu schreiben, untertitelte er die Gratis-Sammlung der neun Stücke als „BBQ Soundtrack“. Außerdem gab er mit an die Hand, die Songs in nur drei Tagen zu Hause geschrieben und produziert zu haben.
Auf dem Cover von „Another One“ ist der aus Kanada kommende Künstler abgebildet, er sieht eher aus wie ein Fischer, es ist nicht ersichtlich, ob es mit einem Selbstauslöser geschossen wurde, oder nur so aussehen soll. Eins ist aber klar, es ist absolut unprätentiös. Zu seiner Latzhose trägt er rote Sneaker einer bekannten Skater-Marke, die verdächtig an das Modell erinnern, das er im vergangenen Winter total durchgetragen eigentlich schon für einen guten Zweck im Internet versteigern wollte.
Das Cover der vor vier Wochen per Bandcamp gratis veröffentlichten BBQ-Platte ist noch weniger informativ. Es zeigt ein verschwommenes Gesicht, das vielleicht das des sympathischen Zahnlückenträgers DeMarco sein könnte. Darauf zu finden sind Songs, die Titel tragen wie „Little Pepper“, „Fish Terry“ und „Peters Pickles“. Sie eignen sich als instrumental bleibende Miniaturen nicht nur hervorragend zur Begleitung des nächste Barbecues, sondern auch für die Begleitung des neuen, nun bei Captured Tracks erschienenen „Studioalbums“, das nur knapp 24 Minuten lang ist.
Das „Studio“ in dem es produziert wurde, stellt sich dabei als DeMarcos Wohnung heraus, ein kleines chaotisches Labyrinth voller Musiktechnik. Einen Einblick dort hinein und in den kleinen Wahnsinn DeMarcos selbst zeigt das im Frühling veröffentlichte Making-of des Albums, das an sich schon so spontan und selbstgemacht aussieht, wie die Musik, die auf den unscharfen Bildern entsteht.
Angeblich sind alle Songs auf „Another One“ Liebeslieder, sagt DeMarco im Interview. Im Titel(track) geht es in Wahrheit gar nicht darum, wie viele Songs er in der Woche schreiben kann, sondern darum, dass eine nicht näher bestimmte Sie einen Anderen liebt. Auf den acht Stücken bildet er Stadien von der Suche nach zwischenmenschlicher Nähe und dem ab, was meist in diesem Bereich eher nicht klappt. Sei es in dem sehnsüchtigen „A Heart Like Hers“ (in DeMarcos Ohren eine ruhige R&B-Nummer) oder im groovigen „The Way You’d Love Her“ – alle Songs drehen sich nicht nur textlich um romantische Liebe, sondern klingen irgendwie auch so. Ihre Wirkung: durch die repetitive, schwurbelige Melodien hin- und herspielenden Gitarren und Keyboards nahezu hypnotisch. Der gesäuselte, undefinierte Gesang des Latzhosenträgers tut sein Übriges, sodass die Hörerin nahezu alle Konzentration verliert: „The Way You’d Love Her / You Loved To Love Her / Love Her / Love Her …“
Sein Home Studio ist so lo-fi wie alles andere auch an Mac DeMarco. Die Instrumente spielt er intuitiv und alle selbst, er ist ein Autodidakt und völlig unabsichtlich auch noch DIY. Allerdings hat er sich für die aktuellen Aufnahmen etwas von seinem Lieblingsinstrument, der Gitarre, verabschiedet. Obwohl er das Keyboard eigentlich gar nicht spielen könne, habe er damit seine Songs geschrieben und nennt Synths den Hauptklanggeber. So ganz auf die Gitarre verzichten konnte er letztendlich aber nicht, und so liegt sie in metallisch-schwurbeligen Melodien auf fast jedem Song, so wie man es von Mac DeMarco kennt.
„Salad Days“ beschrieb DeMarco als „jizz jazz“, eine Auseinandersetzung mit seiner Jugend. Im Vergleich mit dem Vorgänger hat das neue Album nicht nur einen neuen thematischen Schwerpunkt, sondern ist auch weniger hittig. „Another One“ schwurbelt verträumt vor sich hin und lässt sich dabei von „Some Other Ones“ treffend begleiten, wenn es nach der knappen halben Stunde schon wieder vorbei ist. Allein „Just To Let Me Down“ erinnert verdächtig an „Blue Boy“ aus dem letzten Jahr, der Rest ist mit dem Thema des Vermissens der oder des Einen (er präferiere „she“, aber eigentlich sei das egal, meint DeMarco) hingebungsvoller Romantik gewidmet.
Mac DeMarco macht was er will – ihm ist scheinbar egal, was Andere, seine Eltern, die Fans, die Plattenfirma, irgendwer davon hält. Das alles ist so eigenständig vom einem erst 25-Jährigen, dass man von ein wenig fehlendem Einfallsreichtum auf die Dauer der beiden Mini-Alben oder der bisherigen Diskographie DeMarcos absehen kann. Wahrscheinlich ist die Abwechslung auch gar nicht so wichtig, so schön wird man von diesen beiden Alben eingelullt – im allerpositivsten Sinne.
Und wer „Another One“ bis zum Ende hört, erfährt vielleicht auch noch, wohin man eine Dankeskarte für diese perfekte August-Platte schicken soll. Schon bei „Salad Days“ sprach er in den letzten Noten die HörerInnen direkt an und verabschiedete sich persönlich, nun lädt er sie gleich alle ein, denn dort ist die Adresse von Mac DeMarcos „House By The Water“ versteckt: Irgendwo in Far Rockaway, Queens, wo er angeblich keinen Handyempfang hat, dafür aber jede Menge Musikequipment und während Ihr diese Rezension gelesen habt, wahrscheinlich schon wieder vier neue Stücke geschrieben hat.