Next Stop is Vietnam: Ein dreiteiliges Container-Special

Von Heinz-Jürgen Maaßen, 12. November 2010


„Next Stop is Vietnam“ – dieser zynische Textausschnitt aus einem Anti-Vietnamkriegssong von Country Joe McDonald wurde für viele junge amerikanische Männer in den 1960er Jahren und bis zum Ende des Vietnamkrieges 1975 zum blutigen Ernst, wenn sie – meist per Flugzeug – aufgrund der Wehrpflicht aus den USA nach Saigon verfrachtet wurden. Über 60.000 von ihnen sollten entweder gar nicht, als Leiche in Plastiksäcken oder so schwer traumatisiert wieder nach Hause zurückkehren, dass sie später in den Freitod gingen. Die Opferzahlen auf vietnamesischer Seite lassen sich nur schätzen: ca. 1 Million Vietcong, 250.000 auf amerikanischer Seite kämpfende Südvietnamesen und ca. vier Millionen Zivilisten in Nord- und Südvietnam waren nach Aussagen der Vietnamesischen Regierung 1995 zu beklagen.

Rigorose Maßnahmen der kommunistischen Sieger gegen ehemalige Gegner und Kollaborateure, Einkerkerung in Gefangenen- und Umerziehungslager führten zum Tod von weiteren geschätzten 1,4 Millionen Südvietnamesen und einer Fluchtbewegung (Boat People), die bis in die 1980er Jahre andauerte. Diese Zahlen sind zwar zu hinterfragen, da sie ihrerseits wieder Produkt der Propaganda und Geschichtsfälschung sein können, machen aber andererseits die Dimension dieses Krieges und seine Bedeutung für die involvierten Menschen, vor allem in Vietnam, deutlich.

Eine besondere Rolle in diesem längsten und brutalsten Kolonialkrieg der Neuzeit spielte die Musik: Rock, Pop, Soul und Countrymusik aus den USA wurden zu einer Art „Soundtrack des Kriegs“ – nicht erst in späteren Filmen, sondern schon während der Auseinandersetzungen, sowohl vor Ort bei den kämpfenden Truppen als auch an der „Heimatfront“, wo ab Mitte der 1960er Jahre eine ideologische Auseinandersetzung zwischen Gegnern und Befürwortern dieses Kriegs tobte.

Die Rolle der Musik für den Vietnamkrieg, ihre Wirkung in der amerikanischen Gesellschaft im Kampf gegen den Krieg, ihre Bedeutung für die Propaganda und die Befürworter ist natürlich umstritten und letztlich nicht beweisbar.
Zweifelsohne waren die Anti-Kriegs-Lieder für die Widerstandsbewegung ein wichtiger Teil zum Ausdruck ihres Protestes, aber ebenso wie der Rock’n’Roll die Bürgerrechtsbewegung, die feministische, ökologische oder Anti-Kriegsbewegung fördern konnte, konnte die Musik gleichermaßen reaktionär sein und als Propagandamittel eingesetzt werden. Während die Gegner des Kriegs sich tendenziell eher in der Fraktion der Rock-, Pop- und Soulmusiker befanden, waren die meisten Songs aus dem Country-Genre befürwortend. Klarerweise gibt es in jedem Genre auch Songs für die jeweils umgekehrte Sichtweise.

Die Plattenfirma Bear Family hat jetzt eine CD-Box mit der Überschrift „Next Stop is Vietnam“ herausgebracht. Hier findet man auf 13 CDs die wohl bisher umfangreichste Sammlung von Songs zum Thema Vietnamkrieg und all seinen Facetten aus den Jahren 1961-2008. Zusätzlich illustriert werden die Songs mit seltenem Dokumentarmaterial wie Ansprachen von Präsidenten, Propaganda-Durchsagen, Frontberichterstattungen von Journalisten und nordvietnamesischen Hörfunktexten. Ein umfangreiches, reichlich bebildertes Buch im LP-Format enthält Informationen zu allen Songs der Box, aber auch Informationen zum Verlauf und den Hintergründen des Krieges, den innenpolitischen Auswirkungen in den USA und die Rolle der Musik an der wirklichen und an der sogenannten Heimatfront. Auf einer weiteren CD sind alle Texte zu den Songs enthalten.

Die Veröffentlichung dieser ungewöhnlichen und umfangreichen Anthologie nimmt Heinz-Jürgen Maaßen zum Anlass für ein dreiteiliges Container-Special über den Vietnamkrieg und die Rolle der Populärmusik.

Sonntag, 14.11., 17 Uhr: Teil 1: The Universal Soldier
Sonntag, 21.11., 17 Uhr: Teil 2: The War Drags On – Songs für und gegen den Krieg
Sonntag, 28.11., 17 Uhr: Teil 3: Student Demonstration Time – Songs über POWs, My Lai, PTSD u.a.

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