Mogwai – „The Bad Fire“ (Rezension)

Von Jan Boller, 27. Januar 2025

Cover des Albums „The Bad Fire“ von Mogwai

Mogwai – „The Bad Fire“ (Rock Action)

7,7

Obwohl Genre-like von Haus aus maulfaul, haben sich Mogwai seit jeher als politische Band verstanden. Den Erlös ihres Albums „ZeroZeroZero“ (2020) haben sie etwa zu guten Teilen an die Corona-Nothilfe weitergeleitet und den EU-Austritt Großbritanniens haben sie mit T-Shirts mit dem Aufdruck „Brexit: Is Shite“ kommentiert.

Auf „The Bad Fire“ dagegen bleiben Mogwai dem Indifferenten hold. Songtitel wie „If You Find This World Bad, You Should See Some Of The Others“ vermitteln ein grundlegendes Nichteinverstandensein mit der Verfasstheit dieses Planeten, resultieren aber eher aus der Angewohnheit, schmucke Sätze per Fresszettel zu sammeln. Oft sind das nur Insiderwitze und/oder lustiger Quatsch: „Hardcore Will Never Die, But You Will“ hieß eines ihrer Alben. Manchmal scheinen einfach die verflixten Produktionsbedingungen Stichwortgeber gewesen zu sein („What Kind Of Mix Is This“ auf dem neuen Album).

Die durch die Hölle gehen

Die Tagesaktualität aufgrund der verheerenden Brände in Kalifornien, die sich mit dem Titel des neuen Albums „The Bad Fire“ kreuzt, muss der Glasgower Band dementsprechend gehörig gegen den Strich gehen. „The Bad Fire“ ist laut Band schottischer Slang für „Hölle“ und trotz des Vulkanausbruchs auf dem Cover waren die ganz persönlichen Höllen, durch die alle Bandmitglieder, aber allen voran Barry Burns, dessen Tochter lebensbedrohend erkrankt war, in den vergangenen Jahren gehen mussten, ausschlaggebend für die Albumtitelwahl.

Aufgenommen hat das Album auf Wunsch der Band John Congleton, der sich mittlerweile zu einem der angesagtesten und meistgefragten Produzenten im Indie-Sektor gemausert hat. Fun-Fact am Rande: Eine Vorliebe für pompös inszenierte Weltuntergangsszenarien war Congleton bereits bei seiner eigenen, mittlerweile längst verblichenen Band The Paper Chase zu eigen, das letzte Album hatte den Weltuntergang gar in zehn Mini-Epen schaurig-schön durchexerziert. Und auch das Album „Little Rope“ von Sleater-Kinney mit dem Opener „Hell“ hat Congleton produziert. Dort heißt es: „Hell is just a signpost when you take a certain path.“ Auch Sleater-Kinney wissen, dass die Hölle im Alltäglichen lauert.

Deswegen ist es seltsam, dass von der Hölle auf „The Bad Fire“ so wenig zu hören ist. Viel eher, so scheint es, ist der Abgrund aller irdischen Plagereien nur die Startrampe gewesen, um sich mal wieder recht deutlich ins weite Universum zu schießen.

Kratziger, verzerrter, punkiger

Bei „The Bad Fire“ hat Congleton wirkmächtig an den Stellschrauben des etablierten Sound-Designs gedreht: Kratziger, verzerrter, punkiger klingt die Produktion. Unter Zuhilfenahme einer abgedroschenen Rezensions-Vokabel könnte man auch sagen: Die erdige Produktion kontert das weltraumgreifende Konzept – auffällig ist dieser Gegensatz allemal. Der Modus ist dabei retrofuturistische Nostalgie: Der Einsatz der vocodergetränkten Stimme hat sich etabliert. Untypischerweise übernehmen bei Mogwai ausgerechnet die Vocals oftmals die Funktion des emotionalen Downers. Im Opener „God Gets You Back“ scheint die Stimme überhaupt nicht verständlich sein zu wollen. Im All scheint eine gewisse Gleichmut zu herrschen (oder ist es Verlorenheit?). Zusammen mit dem Schlusspunkt „Fact Boy“ bildet „God Gets You Back“ unter jeweils immensem Einsatz von Synth-Geräten, die Dudeleien aus dem Kinderzimmer reproduzieren, eine Art Klammer. Dazwischen: eine Reise durch sämtliche musikalische Konventionen, die sich Mogwai in ihrer 30-jährigen Geschichte angeeignet haben.

In den vergangenen Jahren hat sich die Band vermehrt auf Soundtrackarbeiten eingelassen – die emotionale Zufütterung für Filme und Serien hat die Schotten gelehrt, mit eingeschränkten Möglichkeiten maximale Atmosphäre zu schaffen. Mogwai sind keine Agitatoren, sondern vordergründig Trostspender. „Wir hören oft von Menschen, dass unsere Musik ihnen geholfen hat, schwere Zeiten in ihrem Leben zu überstehen, und ausnahmsweise denke ich, dass das auch auf uns zutrifft“, sagt die Band dazu. Ihrer Zuhörer*innenschaft dient vermutlich gerade das Instrumentale als emotionaler Steigbügelhalter. Was Mogwai unterscheidet von vielen anderen Acts, mit denen sie in ebenjene vermaledeite Postrock-Schublade gesteckt werden, ist die Wahl und der Einsatz ihrer Werkzeuge. Als Meister der feinen Akzentuierung verfügen die vier Glasgower über die Begabung, mittels unkonventioneller Kniffe ihren Songs subtile Anstöße in unerwartete Richtungen zu geben. Den mittlerweile obligatorischen mal poppigen, mal eher rockigen kleinen Hit mit Gesang gibt es nach „Acid Food“, „Ritchie Sacramento“ oder „Teenage Exorcists“ natürlich auch wieder: „Fanzine Made Of Flesh“ ist gutgelaunter Synthie-Punkrock aus dem All.

Der verborgene Coping Mechanism, der „The Bad Fire“ innewohnt, lässt nach den gewohnt-bewährten Soundlandschaften in der Album-Mitte die Stücke zum Ende hin immer leichtherziger werden. Der Shoegaze von „18 Volcanoes“ und „Hammer Room“ zitieren munter weiter aus dem Gemischtwarenladen der Rockmusik der letzten, sagen wir mal, 50 Jahre. Spätestens beim enthusiastischen „Lion Rumpus“ mit seinem herrlichen Gitarrensolo-Chaos im Mittelteil lässt sich dankbar konstatieren, dass sich diese Reise in ihrer Gesamtheit sich doch mal wieder als viel unerwarteter herausgestellt hat, als die mitunter schablonenhaften Einzelteile es vermuten ließen.

Veröffentlichung: 24. Januar 2025
Label: Rock Action

 

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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