Was ist Musik Independent Jamaika – 50 Jahre Unabhängigkeit

„Unabhängigkeit ist gut für Alt und Jung“, singt ein frohgemuter Lord Creator im Sommer 1962, es ist der offizielle Song zur Unabhängigkeit. Dieser Tage wird das 50. Jubiläum gefeiert, mit viel Musik. Reggae in allen Spielarten ist der Exportschlager Jamaikas. In kaum einem Land dieser Erde ist die Musik im Alltag so präsent und hat eine so große Bedeutung für das Selbstbild seiner Bürger.

Die Geburt der jamaikanischen Nation und die Geburt des Reggae, das ist eigentlich ein und dasselbe, meint nicht nur der Sänger Max Romeo in „The Birth Of Reggae Music“. Rasta – das ist der schmale Grat zwischen Befreiungstheologie und esoterischem Mumpitz. Danach sitzt der Feind, der Unterdrücker noch immer in Babylon. Babylon – das Synonym für die Sklavenhalter und Kolonialherren in den kapitalistischen Metropolen. Und noch immer will Babylon dem geknechteten jamaikanischen Volk seine Kultur verbieten und seine Identität rauben.

Identität wird über Körper und Sexualität verhandelt, männliche Identität hat viel mit sexueller Potenz zu tun, da kommt die Homophobie ins Spiel. Die ist in der jamaikanischen Gesellschaft weit verbreitet. Das hat religiöse Gründe, aber auch Ursachen in der Sklaverei. Die Sklavenhalter wollten die Entwicklung familiärer Bindungen unter ihren Sklaven verhindern und gleichzeitig deren Anzahl erhöhen. Also wurden die Männer dazu angetrieben, möglichst viele Kinder zu zeugen - mit möglichst vielen verschiedenen Frauen. Das daraus resultierende Männlichkeitsideal des hyperpotenten Zuchtbullen hält sich in der jamaikanischen Gesellschaft bis heute, Promiskuität inklusive. Der berühmteste Sohn der Insel gibt das leuchtende Beispiel. Bob Marley hatte mindestens elf Kinder mit sieben Frauen. Schwule sind nach dieser Logik keine richtigen Männer und dürfen gejagt werden.

Zwanzig Jahre nach Buju Bantons Schwulenkillerhit „Boom Bye Bye“ spielen sich die Konflikte stets nach dem gleichen Muster ab. Sexismus und Homophobie werden nicht nur von Reggaefans relativiert als authentische Lebensformen unterdrückter oder unterentwickelter Gesellschaften, das sei eben ihre Kultur, ihre Identität. So äußern sich vermeintlich tolerante Freunde der Multikultur aber auch rechte Ethnopluralisten, die daraus eine Hierarchie der Ethnien ableiten. Auf der anderen Seite fordern westliche Universalisten die Einhaltung elementarer Menschenrechte. Immer diese Widersprüche…und die tollste Musik dazu…