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Was ist Musik Beatlemania ohne Beatles (20.08.2017)

ByteFM: Was ist Musik vom 20.08.2017

Ausgabe vom 20.08.2017: Beatlemania ohne Beatles

4.4.1964: Nach einem Auftritt in der Ed-Sullivan-Show vor 70 Millionen Fernsehzuschauern belegen die Anfang des Jahres noch nahezu unbekannten Beatles die ersten 5 Positionen der Billboard-Charts:
1. Can't buy me love
2. Twist and shout
3. She loves you
4. I want to hold your hand
5. Please please me

Das kommt nie wieder.

April 2014: Die Beatles in „The Story Of Pop“ von Karl Bruckmaier (Murmann Verlag)

„Schuld am ganzen Schwurbel ist nach Ansicht der Politik eine Elterngeneration, die Amerikas Jugend zu Weicheiern erzogen hat, zu verzärtelten Besserwissern. Spirow Agnew, Vizepräsident, nennt sie »schwächliche Snobs«, und der Ku-Klux-Klan fordert einen Mann-Mann an der Spitze jeder Uni, der auch einmal hart durchgreift, wenn es darauf ankommt.
Seltsame Allianzen: Auch ein Psychoanalytiker wie Bruno Bettelheim diagnostiziert bei Amerikas Studenten moralische Verwahrlosung und
Verfolgungswahn, während die revoltierenden Studenten an der Pariser Sorbonne von ihren Politkern beschuldigt werden, den Einflüsterungen Amerikas zu erliegen, die nur das Ziel haben, Charles de Gaulle zu Schwächen und zu stürzen. Dagegen vermutet man in den USA hinter der Beatlemania ein kommunistisches Komplott, worauf Lennon kontert, die Beatles seien »die größten Kapitalisten auf dieser Welt«. Timothy Leary und der Schriftsteller Ken Kesey würden am liebsten jedem Polizistenschwein einen Trip unterjubeln, denn was bei den Hells Angels einmal funktioniert hat, wird auch der Nationalgarde nicht schaden: »Turn on, tune in, drop out!« Beiderseits des Atlantiks werden Legitimität der Regierung, das Gewaltmonopol des Staates und Gültigkeit bestehender Gesetze in Frage gestellt, um die eigenen »revolutionären« Handlungen zu rechtfertigen. In der Bundesrepublik brennen Kaufhäuser und die Auslieferungsfahrzeuge
des Springer-Verlags. In den Staaten finden allein im Jahr 1970 dreitausend politisch motivierte Anschläge statt: »Revolution for the hell of it!« Und Yippie-Gründer Jerry Rubin weissagt, »dass man morgens Ackerbau und Viehzucht betreiben wird, mittags dann Unzucht
und abends machen wir Musik.«

Der Erfolg der Beatles zeigt jedenfalls einer ganzen Generation, dass man es bloß mit ein paar selbst zusammengeschraubten Zeilen und Akkorden zu einem größeren Bekanntheitsgrad als Jesus bringen kann. Und Dylan zeigt den Beatles, dass von Brecht und Baudelaire lernen Unsterblichkeit…


In dem Moment jedenfalls, als Rock in die Welt kommt, in einer ebenso erschütterten wie politisierten Welt, in den Jahren nach 1965, ist dieser Rock dazu in der Lage, nationales, ideologisches, konfessionelles Denken zu überwinden. Sein Freiheitsversprechen, seine
intrinsischer Widerspruchsgeist lassen die Musik Fragen stellen ohne Ende, und diese Fragen werden auf der ganzen Welt gehört. Wenn der russische Musiker Sasha Lipnitsky schildert, dass die Beatles und Demokratie für junge Sowjetmenschen in den Sechzigern eine untrennbare Einheit darstellen, ahnt man die Kraft, die Pop freisetzen kann. Und als Pop die Welt nach außen faltet, als er die Masken ablegt, die Haare wachsen und die Welt bunt werden lässt und als er über die Boulevards selbst der entlegensten Diktaturen gockelt, wird er zum Lackmustest für politische Systeme: »Wer gegen die Beatles war in Russland, der hat sich selbst desavouiert. Die Autoritäten, unsere Lehrer, unsere Eltern, die Funktionäre, das waren plötzlich Idioten in unseren Augen.«




April 2014: Die Beatles in „Über Pop-Musik“ von Diedrich Diederichsen (kiwi Verlag)

„Doch zwei Dinge können diese heruntergekommene Musik auch wieder nach vorne bringen. Ihre Billigkeit, ihre Simplizitat kann nun wieder musikalisch in den Mittelpunkt geraten: Ihre Einfachheit kann zu Reinheit werden. Musiker können auf die Idee kommen, dass es musikalische Gründe fur die Wahl einfacher Mittel gibt, statt des Aufkommens neuer Sensationen und Attraktionen, denen die alten und industriell vernutzten Musikformen nur eine Bühne bieten. Diese Musiker erklären das Einfache zur Reduktion aufs Wesentliche – ≫I always liked simple rock≪, John Lennon –, und schon das erste große primitive Rock’n’Roll-Instrumental, ≫Rumble≪ von Link Wray, dürfen wir uns als Ergebnis dieser ästhetischen Sensibilitat vorstellen. Auf dieser Ebene ist es keine Pop-Musik im von mir beschriebenen Sinne mehr allein, sondern zugleich eine Form von Minimalismus.“

April 2014: Beatlemania ohne Beatles in „Was ist Musik“, starring:
Blackstreet, Mary Wells, Booker T. & The MG´s, Three Normal Beatles, Todd Rundgren, Al Green, The Vernons Girls, Peter Sellers, Hüsker Dü, The Skatalites u.v.a.