Andreas Dorau – „Im Gebüsch“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 22. Januar 2024

Cover des Albums „Im Gebüsch“ von Andreas Dorau, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Andreas Dorau – „Im Gebüsch“ (Tapete Records)

Andreas Dorau hatte die Lust am Plattenmachen verloren. So sagte es der Hamburger Musiker selbst in einem Interview. Das ist erst einmal ein tragischer Umstand. Schließlich handelt es sich hier um einen der Großmeister des postmodernen Pop-Songs. Der bereits im Alter von 15 Jahren mit „Fred vom Jupiter“ NDW-Geschichte schrieb und seitdem in unregelmäßigen Abständen wunderbare Langspieler veröffentlichte. Doch angesichts der nicht enden wollenden Welle an welterschütternden Krisen zog es Dorau nach der Veröffentlichung seines elften Studioalbums „Das Wesentliche“ (2019) hin zur Literatur. Seine Musik „brauchte da wirklich kein Mensch“.

Ein Trugschluss, möchte man meinen. Da der Dorau’sche Drahtseilakt zwischen Albernheit und Tragik gerade in schwierigen Zeiten besonders willkommen ist. Umso schöner, dass nun – vier Jahre und zwei gemeinsam mit Sven Regener verfasste Bücher später – Dorau mit seinem neuesten Album zurück ist. Der Zeitpunkt für die Rückkehr ist kein Zufall: Seine zwölfte Studio-LP erscheint genau am 60. Geburtstag des Musikers. Dies ist nicht der erste runde Geburtstag, den er mit einer Veröffentlichung zelebriert – zum 50. veröffentlichte er das Best-of „Hauptsache Ich“. „Im Gebüsch“ besteht ausschließlich aus neuen Liedern, fühlt sich interessanterweise aber auch ein bisschen wie eine feierliche Ehrenrunde an: In 13 Songs präsentiert er alle Facetten seiner typischen traurigen Fröhlichkeit.

Drahtseilakt zwischen Albernheit und Tragik

Diese zeigen sich auch in der Musik, die auf „Im Gebüsch“ deutlich vielfältiger daherkommt als zuvor – was auch an Doraus Auswahl an Mitwirkenden liegt: Der Großteil des Albums entstand in enger Zusammenarbeit mit Schlagzeuger, Produzent und Solomusiker Zwanie Jonson, für andere Stücke lud er die Gastmusiker*innen JJ Weihl (Fenster, Discovery Zone), Brezel Göring (Stereo Total), Güner Künier und unhappybirthday ins Studio. Die 13 Songs sind von einem elektronischen Sound geeint, der sich aber von Song zu Song anders ausprägt.

„Die Konstante“ und „Ich sein“ eröffnen das Album mit Disco und leichten House-Vibes, während „Auf der Weidenallee“ mehr an klassische NDW-Hits erinnert. In „Situationen“ flirten Dorau und Konsort*innen mit Reggae und Dub. In „Mein englischer Winter“ spielen sie Post-Punk mit „Love-Will-Tear-Us-Apart“-Synthie-Streichern. Die englischsprachige Exkursion „Rainy Days In Moscow“ ist Old-School-Synth-Pop, im Kontrast zum moderneren Synth-Punk von „Ich bin nicht ich“. Album-Abschluss „Die Vergangenheit war gestern wieder da“ öffnet noch eine ganz andere Klang-Welt, ein schwebendes Crossover aus Synthpop und Folk, mit besonders mystischen Akkordfolgen. Viele der Klänge sind nostalgisch, doch Doraus Blick geht stets nach vorne.

Das gilt auch für seine Texte. Beim Schreiben zweier autobiografischer Bücher habe Dorau sich passenderweise „wohl zuletzt versehentlich viel mit [sich] selbst beschäftigt“, sagt er. Das ist direkt in den Texten von „Im Gebüsch“ spürbar, in denen er sich viel mit dem Übergangsraum zwischen „Ich“ und „Du“ befasst: „Ich sein, das kann ich gut / Doch fürs Du sein, fehlt mir der Mut“, heißt es direkt im zweiten Song, während in der Single „Ich bin nicht ich“ der Spieß umgedreht wird: „Ich bin nicht ich / Und Du bist nicht Du / Und wir schaun‘ uns gerne weiter zu.“

Anderswo singt er über die banale Schönheit der Musik an sich („Das ist Musik / Das sind nur Worte und Noten / Oftmals geschrieben von Idioten“) und die Absurdität unseres vergänglichen Daseins: „Die Welt ist ein seltsamer Planet / Der sich für manche zu langsam dreht / Und die Menschen sind komische Wesen / Und am Ende ist da niemand gewesen.“ Wie wenige andere kann Dorau sich schweren und kopflastigen Themen mit einer leichtfüßigen Trockenheit annähern. Auf die nächsten 60 Jahre Andreas Dorau!

Veröffentlichung: 19. Januar 2024
Label: Tapete Records

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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