Neue Platten: Beach House – „Bloom“

Cover von Beach House – „Bloom“ (Bella Union)

9,5

Gibt es eigentlich jemanden, der Beach House nicht mag? Jemanden, der von „Teen Dream“ nicht absolut überzeugt und begeistert gewesen wäre? Mir zumindest ist niemand bekannt. Macht auch nichts, denn diese allgemeine Liebe für das Duo aus Baltimore entspringt nicht dem „Hype“, den die sogenannte Hipster-Szene – man greife sich bitte an die eigene Nase – um sie macht, ebenso wenig, wie die Musik der beiden Künstler einfach so belanglos ist, dass sich niemand daran stört und jeder es irgendwie okay finden kann. All diejenigen, die nun meinen, das sei ein Negativpunkt, eine Band, die alle mögen, sei sowieso doof und dass es besser sei, Beach House und „Bloom“ einfach als „Indie-Szene-Quatsch“ abzutun – gut, selbst schuld seid ihr. Allen anderen sei zugestimmt: Ja, „Bloom“ ist ein tolles Album.

Schwierig natürlich nach dem Über-Erfolg ihres dritten Albums etwas zu produzieren, das ebenso gut und doch neu und nicht nur langweilige Nachfolge ist. Doch solche Ängste scheinen die beiden Masterminds der Band in keinster Weise zu belasten. Und wieso sollten Victoria Legrand und Alex Scally auch etwas Anderes machen, wenn ihr federleichter und dabei tieftrauriger Dream-Pop doch so verdammt gut ist, dass es beinahe wehtut. Auch „Bloom“ lebt von Legrands unverwechselbarer Stimme, die nie ganz einzuordnen ist, und die in sich schon so viel Traurigkeit und Melancholie trägt, dass es völlig egal ist, was genau diese Texte, oft nur bruchstückhaft zusammengesetzte Halbsätze und gerade dadurch tief und wunderbar, eigentlich „wirklich“ bedeuten sollen. Nie, nicht eine Sekunde, geht diese Stimme verloren, nie verschwindet sie völlig, ebenso wenig steht sie in Kontrast oder Konkurrenz zu den wundersamen verträumten Klängen, die Scally mit Gitarre, Drums und Keyboards erzeugt, und die in „Bloom“ zwar die Eingängigkeit des Vorgängers bewahren, gleichzeitig aber wieder verträumter und opulenter werden. War „Teen Dream“ zwar äußerst poppig, instrumentell aber ein eher klareres und beschränkteres Album, so erschafft das Duo mit „Bloom“ ein dichtes Klangmosaik, voll von sich überlagernden und ergänzenden Melodien und Rythmen, die sich trotz allem immer ihre Leichtigkeit und Flüchtigkeit bewahren. Hier agieren nicht mehr einzelne Lieder nebeneinander, es ist eine verwobene Welt, in die man eintaucht und aus der man nie wieder hinaustreten möchte, die aber durch das Feierliche, Schwelgerische und die Entrücktheit von Legrands Stimme immer eine gewisse Distanz beibehält. Sobald „Bloom“ beginnt, fühlt man sich zurückversetzt in eine bekannte Welt; es ist ein wenig wie nach Hause zu kommen, diese Musik, die so traurig und nachdenklich macht, ist gleichzeitig wie Balsam für die Seele, sie streichelt und umschmeichelt.

Überhaupt ist Musik von Beach House eine Synthese von Widersprüchen, tief und schwer, dabei zugleich immer leicht und fragil, melancholisch und doch bittersüß, häufig sogar eingängig, jedoch niemals so, dass man vergessen könnte, ihr zu lauschen. Schon der Name des Albums erinnert an die Vergänglichkeit der Dinge, das Leben: wunderschön und doch ebenso flüchtig wie das Erblühen einer Blume und darin zutiefst zweifelnd und voller Zwiespältigkeiten. Beach House sind Seiltänzer über den Abgründen dieser Welt, die in Trance balancieren, immer in Gefahr zu fallen – und doch, immer auch voller Hoffnung. Ein selbstvergessener Tanz, der es auch dem Zuhörer möglich macht, zu vergessen, sich fallen zu lassen. Mit offenen Augen, in der U-Bahnm träumend. Ebendieses gewisse Etwas, das nicht Fassbare, macht es so schwer, etwas Anderes über dieses großartige Album zu sagen als über die Alben davor: einfach nur schön!

Label: Bella Union/Cooperative Music | Kaufen

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