Shari Vari – „Now“ (Rezension)

Cover des Albums „Now“ von Shari Vari

Shari Vari – „Now“ (Malka Tuti)

8,7

Eine Flöte, technoides Gebleepe und dann diese unglaublich voluminösen Drums, die man früher vermutlich „tribal“ genannt hätte. Das sind nur die ersten Sekunden von „Out Of Order“ dem ersten Stück des ersten Albums des Hamburger Duos Shari Vari. Die Platte treibt die HörerInnen vor sich her. „Out Of Order“ ist ein Dancefloor-Stück, in das der Geist von The Slits gefahren ist. Oder von Bow Wow Wow. Oder von beiden.

„Dance Alone“ nimmt dann das Tempo auf, ist aber textlich wie musikalisch deutlich bedrohlicher. Es beschreibt das Leben in einer nächtlichen Großstadtdystopie. Paranoid auf chemischen Drogen, einsam auf der vollen Tanzfläche: „You are alone out here / I am alone out here / Can we dance together? / Can we dance alone? / Can we live together?”, fragt die Stimme über düsteren Synth-Drones. Hier klingt zum ersten Mal auf dem Album der Einfluss der Elektropunk-Band Suicide durch, inklusive Alan Vegas vokaler Manierismen. „New York City“ und „Jungle“ nehmen kurz vor der Hälfte das Tempo gekonnt raus.

Kontrollierte Überforderung

Shari Vari sind Sophia Kennedy, die 2017 mit ihrem Debütalbum international Anerkennung fand und die Filmemacherin Helena Ratka aus Hamburg. Ihre erste gemeinsame EP „Life Should Be A Holiday“ von 2017 war schon gut, bereitete aber nicht annähernd auf die Größe von „Now“ vor. Hier passieren so viele Sachen gleichzeitig und doch bleibt der Sound klar, fokussiert und druckvoll. Jedes Stück stellt eine eigene Welt dar, mit eigenen Referenzen. Zusammengehalten wird das Album durch die großartige Produktion, für die die beiden Musikerinnen diesmal selbst verantwortlich sind. Aufgenommen wurde die Platte in Hamburg, um Hamburg, in Madrid und Las Palmas. Über einen längeren Zeitraum, wenn es sich gerade anbot. Umso erstaunlicher ist diese klangliche und konzeptionelle Einheit. Immer wieder werden Klangoberflächen aufgerissen, passiert etwas Unerwartetes. Aber es gibt keine Effekthascherei: Alles, was passiert, steht im Dienste der Sache.

Die flächigen Synthesizer können einen – je nach Sozialisation – an Velvet Underground, Duran Duran oder Stereolab denken lassen. Die Offenheit der Bezüge und die Möglichkeit, mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen an die Referenzen anzudocken, üben einen großen Reiz aus. Und zum Schluss befreit uns das seltsame, wundersame, wunderbare Music-Hall-Stück „Not A Perfect Day“ mit seinem leicht verstimmten Klavier und der dazwischenspuckenden Posaune von der urbanen Paranoia.

Veröffentlichung: 13. September 2019
Label: Malka Tuti

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Diskussionen

1 Kommentar
  1. posted by
    Olaf
    Sep 19, 2019 Reply

    cool!

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