Idris Ackamoor & The Pyramids – „Shaman!“ (Strut Records)
Idris Ackamoor sucht nach Wörtern. Wörter für Dinge, für die es noch gar keine gibt. So eröffnet der US-amerikanische Saxofonist, Dichter und Songwriter auf jeden Fall sein aktuelles Album „Shaman!“: „Longing for words to be said that there are no more words for / Wishing ill feelings fled, locked behind ancient doors.“ Dann werden seine Worte dringlicher: „Hand gripping white hot blade, ax of truth, flesh burning, teeth clenched / Fire rites of penance.“
Erst eine abstrakte Meditation, dann greifbare Brutalität. Diese Zeilen erklingen in den ersten Minute von „Shaman!“. Ackamoor und seine Band The Pyramids haben noch gar nicht richtig losgelegt, dennoch hängt man schon an ihren Lippen. Was erst ein esoterischer Ambient-Nebel war, ist plötzlich gnadenlos nach vorne peitschender Afrobeat. Und das ist erst der Anfang dieses einstündigen Epos.
Bei diesem Energielevel fällt nicht auf, dass der Kopf dieser Band schon fast 70 Jahre alt ist. Die erste Inkarnation von Idris Ackamoor & The Pyramids war von 1972 bis 1977 aktiv. Ackamoor verband den spirituellen Space-Jazz von Sun Ra mit Funk-Ryhthmik und Live-Shows, die in ihrer Expressivität an Performance-Theater grenzten. Seit 2012 ist er wieder mit seiner Band vereint und veröffentlicht LPs.
Spiritual Jazz mit den Füßen auf dem Boden
Die letzten von ihnen, „We Be All Africans“ (2016) und „An Angel Fell“ (2018) waren soziopolitische Statements gegen globale Themen wie Klimawandel und Rassismus. „Shaman!“ ist – wie die einleitenden Zeilen andeuten – im Vergleich eine eher esoterische Angelegenheit: Ackamoors Sprechgesang sinniert in „Virgin“ über die Jungfrau „Erde“ und die Möglichkeit der Selbstheilung, während seine Band eine astrale Mischung aus Spiritual Jazz, psychedelischem Dub und Funk spielt.
Doch Idris Ackamoor & The Pyramids stehen auch in den abgespaceten Momenten dieses Albums mit den Beinen fest auf dem Boden. Die Band – zusammengestellt aus Flöte, Geige, Gitarre, Bass, Congas und Schlagzeug – verhindert in ihrer Tightness, dass diese Musik in ungreifbare Stratosphären abdriftet. Ackamoors Saxofonsoli drehen wilde Pirouetten, ohne die Melodien aus den Augen zu verlieren – besonders beeindruckend in „Theme For Cecil“, einer Verneigung vor seinem musikalischen Mentor Cecil Taylor.
Und dann gibt es noch „When Will I See You Again“, das absolute Highlight dieses Albums. Hier scheint Ackamoor die Wörter zu finden, die er am Anfang des Albums suchte. Über einen melancholisch zwischen HipHop und Dub oszillierenden Groove betrauert er den frühen Tod, der viele seiner jungen und alten Mitmenschen heimsuchte. „Young and old die before their time / In the wrong place at the wrong time.“ Die Wörter sind nicht schwer, nicht kompliziert, aber ihr Gewicht ist immens. Ein pointierter Anker für ein sonst so lustvoll ausschweifendes Album.
Veröffentlichung: 7. August 2020
Label: Strut Records
Diskussionen
1 KommentareTom
Aug 9, 2020Diese Live Version von Virgin gefällt mir besser als die Studioversion auf dem Album: https://www.youtube.com/watch?v=eCu134MWlFg&feature=youtu.be&t=85