Bürgerrechtlerin, Widerstandskämpferin, Superstar – zum 50. Todestag von Josephine Baker

Von Rainer Szimm, 11. April 2025

Josephine Baker

Josephine Baker kämpfte mit ihren Performances auch gegen rassistische Klischees an (Foto: Walery, Polish-British, 1863-1929, Public domain, via Wikimedia Commons)

Am 15. April 1975, drei Tage nach Josephine Bakers Tod, versammelten sich viele Tausende Menschen an der imposanten Pariser Kirche La Madeleine, um dem internationalen Showstar noch einmal nahe zu sein. Bei der katholischen Trauerfeier erwiesen unter anderem Bakers langjährige enge Freundin Gracia Patricia von Monaco, der französische Kulturstaatssekretär Michel Guy und der Schwiegersohn von Charles de Gaulle, der äußerst vielseitigen Künstlerin und ehemaligen Résistance-Kämpferin die letzte Ehre.

Auf dem Weg zur Kirche passierte der Leichenwagen die Bobino-Musikhalle, wo Baker am 8. April ihr 50-jähriges französisches Bühnenjubiläum in Anwesenheit von Sophia Loren, Alain Delon und Mick Jagger gefeiert hatte. Wenige Tage nach der umjubelten Premiere erlag sie, 68-jährig, einem Schlaganfall. Frankreich würdigte sie mit einem Staatsbegräbnis und 21 Salutschüssen. Danach wurden ihre sterblichen Überreste in Monaco beigesetzt.

Mehr als nur eine Performerin

Eine schier unglaubliche Karriere der gebürtigen US-Amerikanerin, die aus ärmlichen Verhältnissen zum ersten weiblichen Schwarzen Superstar aufstieg. Berühmt für ihre Nacktheit und aufreizenden Tanzeinlagen in einem Röckchen aus 16 Plüschbananen, wurde sie eine Sensation in Frankreich und danach weltweit. Sie beflügelte die Fantasie, betörte die Sinne und wurde am Anfang ihrer Laufbahn zum Sexsymbol einer vergnügungssüchtigen Epoche, die sich nach wilder Exotik und unbekannter Erotik verzehrte. In München und anderen Städten musste Baker hingegen Auftrittsverbote wegen angeblicher „Verletzung des öffentlichen Anstands“ hinnehmen. Der Schriftsteller Jean Cocteau und der Maler Pablo Picasso hingegen waren hingerissen. Ernest Hemingway nannte sie „die sensationellste Frau, die man je gesehen hat und je sehen wird“. Später ehrten Musiker*innen wie Adamo oder Al Stewart sie mit eigenen Songs, und Megastar Beyoncé tanzte 100 Jahre nach Bakers Geburt in einem Bananenrock.

Aber Josephine Baker war viel mehr als nur die extrovertierte und amüsante Performerin, die in den 1920er-Jahren Paris im Sturm nahm und zur international gefeierten Entertainerin wurde. Das Multitalent zeigte ihren enormen Facettenreichtum zudem als erfolgreiche Sängerin und Schauspielerin. Lieder wie „J’ai deux amours“ wurden Jahrzehnte danach von Künstler*innen wie Zaz oder Max Raabe interpretiert. In Filmen wie „Zouzou“ spielte Baker die Hauptrolle neben Jean Gabin. Bakers Leben war aber viel mehr als Showbusiness.

Kampf gegen rassistische Stereotype

Ihre frühen Erfahrungen mit Rassismus in ihrem Geburtsland USA waren der Ausgangspunkt für ihren nimmermüden Kampf für Bürger- und Menschenrechte. Die ausgebildete Pilotin bekämpfte im Zweiten Weltkrieg die Nazis als Mitglied der Résistance und des französischen Geheimdienstes. Danach unterstützte sie die Bürgerrechtsbewegung in den USA und sprach 1963 als einzige Frau vor gut 200 000 Menschen beim „Marsch auf Washington“, der Großdemonstration, auf der Martin Luther King seine berühmte „I-Have-A-Dream“-Rede hielt.

Bakers Leben war eines, das von Luxus und Anerkennung, aber auch von Ausgrenzung und Armut geprägt war.
Am 3. Juni 1906 wurde sie als Freda Josephine McDonald in St. Louis, Missouri als uneheliches Kind einer Wäscherin und eines Schlagzeugers geboren, der die Familie kurz darauf verließ. Sie wuchs in sehr bescheidenen Verhältnissen auf und musste früh zum Familieneinkommen beitragen. Achtjährig verließ sie die Schule, um als Hausangestellte bei weißen Familien zu arbeiten, wo sie von einer Frau misshandelt wurde.

Im Juli 1917 wurde sie Zeugin von gewalttätigen Ausschreitungen in East St. Louis, bei denen schätzungsweise bis zu 200 Schwarze getötet wurden. Ein Erlebnis, das sie später zu einer Kämpferin gegen den Rassismus werden ließ. Im Jahr darauf brach sie die Schule endgültig ab und schlug sich als Kellnerin durch und verdingte sich bei einer Straßenmusikgruppe. In ihr wuchs der Wunsch, Tänzerin zu werden, einer der wenigen Wege für eine Schwarze Frau, der Armut zu entfliehen. 1921 ging sie eine vier Jahre dauernde Ehe mit dem Zugbegleiter Willie Baker ein, dessen Nachnamen sie aber zeitlebens behielt. Kurz darauf ergatterte sie eine kleine Rolle in einer Broadway-Show in New York, wo sie sich von der Masse der anderen Tänzerinnen durch ihr humoristisches Talent abhob. Eine wohlhabende Förderin bot ihr daraufhin ein Engagement für eine Hauptrolle in der „Revue nègre“, einer ausschließlich mit Schwarzen Darsteller*innen besetzten Show in Paris an. Ihr eröffnete sich dadurch eine Freiheit, die zuvor in den USA undenkbar gewesen war: „Es war ein Land, das nur für Weiße bestimmt war. Es gab keinen Platz für Schwarze. Ich erstickte in den Vereinigten Staaten … Ich fühlte mich in Paris befreit“, sagte sie später.

1925 startete ihre Weltkarriere. So eine Premiere wie am 2. Oktober im Théâtre des Champs-Élysées hatte die Stadt noch nicht gesehen: Fast unbekleidet tanzte sie einen wilden Charleston, dabei mit den Augen rollend, lachend und mit Armen und Beinen schlenkernd. Baker traf einen Nerv in diesen hedonistischen Jahren der „Années folles“. Es herrschte eine Sehnsucht nach sogenannter „afrikanischer Exotik“, die Baker perfekt verkörperte. Eine muskulöse, schöne „Wilde“ entsprach den damaligen kolonial geprägten Klischees. Indem sie aber ihre Darbietungen, etwa mit dem Bananenrock, selbstbestimmt auf die Spitze trieb, entlarvte sie durch diese Übertreibung derartige rassistische Stereotype.

„Ich will Erfolg haben, nicht zurückstecken, nie mehr“

Sie wurde über Nacht zum Star. Maler wie Le Corbusier oder Paul Klee zeichneten sie. Baker trat bald darauf in Berlin und anderen europäischen Städten auf. Das Publikum tobte, nicht immer nur vor Begeisterung. So wurden einige ihrer Auftritte, so wie in München, Prag oder Budapest, wegen angeblicher Immoralität verboten. Das konnte ihren Siegeszug nicht stoppen, und das sollte so bleiben. „Ich will Erfolg haben, nicht zurückstecken, nie mehr“, bekannte sie danach in ihren Memoiren.

Mithilfe ihres damaligen Managers und Liebhabers Pepito Abatino etablierte sich Baker als Marke, die Kosmetikprodukte anpries und ihr Image durch einen extravaganten Lebensstil untermauerte. Sie flanierte mit einem Geparden an der Leine oder besaß einen Sportwagen mit Schlangenledersitzen. Baker hatte überdies Leinwandauftritte wie in „La Sirène des tropiques“ (1927), und sie forcierte ab 1930 auch ihre Gesangskarriere. „J’ai deux amours“ oder „La Petite Tonkinoise“ steigerten ihre Beliebtheit. Ab Mitte der 1930er-Jahre galt sie als weltweit reichste Afroamerikanerin.

Der Ruhm in Europa bewahrte sie aber nicht vor rassistischer Diskriminierung in ihrem Heimatland. Ihre dortigen Auftritte wurden 1936 von der Presse schlecht gemacht und sie musste ihre Schiffsrückreise nach Frankreich als Schwarze auf dem Unterdeck antreten. 1937 nahm sie nach der Heirat mit dem französischen Industriellen Jean Lion die französische Staatsbürgerschaft an. Doch bald darauf begann der Zweite Weltkrieg, und Baker wurde zur Kämpferin gegen den Faschismus.

Spionin für Frankreich

Der französische Geheimdienst hatte sie bereits 1939 angeworben. Nach Kriegsausbruch horchte sie deutsche, italienische und japanische Beamte bei Partys und Empfängen in Paris aus. Relativ geschützt durch ihre Popularität, lieferte sie wichtige Erkenntnisse an die französische Spionageabwehr. Nach der Invasion der Wehrmacht 1940 in Frankreich zog sie in das Schloss „Les Milandes“ in der südwestfranzösischen Dordogne. Das Anwesen diente als Waffenlager, und es versteckten sich dort Widerstandskämpfer und jüdische Flüchtlinge. Als bekannte Entertainerin konnte Baker relativ frei reisen und Erkenntnisse über deutsche Truppenbewegungen nach England übermitteln. Auch in Nordafrika unterstützte sie den Kampf der Streitkräfte für ein freies Frankreich: Durch Aufführungen vor Soldaten und ebenso durch weitere Agententätigkeit für die alliierten Truppen. Konzerteinnahmen gingen an die Résistance und die ausgebildete Pilotin trat 1944 als Propaganda-Offizierin der französischen Luftwaffe bei. Nach dem Krieg wurde sie für ihre Verdienste in die Ehrenlegion aufgenommen und erhielt mehrere militärische Auszeichnungen.

Nach 1945 knüpfte sie an alte künstlerische Erfolge an. Sie ehelichte 1947 den französischen Orchesterleiter Jo Bouillon und zog mit ihm nach „Les Milandes“. Seit den 1950er-Jahren unterstützte sie zudem die US-Bürgerrechtsbewegung. Die entschiedene Gegnerin der Segregation erreichte 1951 sogar bei einem Auftritt in Miami, dass sie vor einem gemischten Publikum auftreten konnte.

Bakers Regenbogenfamilie

Als Zeichen der Mitmenschlichkeit adoptierte Baker ab 1954 zwölf Kinder unterschiedlicher Religionen und Hautfarbe und lebte mit ihnen unter zuweilen schwierigen Umständen in dem Schloss in der Dordogne. Sie verkündete 1956 ihren Rückzug von der Bühne, um sich ihrer „Regenbogenfamilie“ zu widmen. Der aufwendige Lebensstil führte aber zu Schulden, sodass Baker 1961 mit dem autobiografischen Musical „Paris mes amours“ auf die Bühne zurückkehren musste. Auch beim Kampf gegen die Ungleichheit blieb sie hartnäckig. Nach ihrer Rede 1963 in Washington dankte ihr Martin Luther King in einem Brief: „Ihre tiefe Menschlichkeit und Ihre selbstlose Opferbereitschaft für die Idee der Freiheit und Ihre Würde wird ein Kraftquell sein und bleiben für Generationen der Zukunft.“

Ende der 1960er-Jahre war das Schloss finanziell nicht mehr zu halten. Ihre Freundin Gracia Patricia von Monaco richtete Baker aber eine Villa nahe Monaco her, und die Künstlerin trat in der Folge, so wie 1973 in der Carnegie Hall, international auf. Vier Tage nach ihrer umjubelten Jubiläumsshow im „Bobino“ starb Baker am 12. April 1975 in Paris.

2021 ehrte Frankreich dann die große Künstlerin und Aktivistin mit der Aufnahme in das „Panthéon“, der nationalen Ruhmeshalle als erste Schwarze Frau überhaupt.

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert