Die Goldenen Zitronen – „Who’s Bad“ (Buback)
Fast 30 Jahre Bandgeschichte sind es, auf die Die Goldenen Zitronen zurückblicken können. Längst als Punk-Ikone etabliert, veröffentlicht die Hamburger Band dieser Tage ihr elftes Studioalbum mit dem Titel „Who’s Bad“.
In den 15 gewohnt dreckig-kantigen Songs auf „Who’s Bad“ zeichnen die Goldenen Zitronen Skizzen von ihrer Beobachtung der Welt. Episch ausgebreitete Songtexte darf man hier nicht erwarten. Teils auf Stichworte reduziert, scheint das textliche Spotlight der Hamburger auf gesellschaftliche und politische Situationen, weist auf Missstände hin und trägt stellenweise herrlich dadaeske Züge. Das Spektrum reicht dabei von Kritik an der artifiziell geschaffenen, staatenübergreifenden Uniformität der Umgebung („Europa“) über einen lokalpatriotischen Aufruf zur Stadtbilderhaltung („Echohäuser“) zu einer scheinbar nüchtern vorgetragenen Beobachtung des Loveparade-Unglücks 2010 in „Duisburg“, dem die Gegenüberstellung unterschiedlicher O-Töne vor dem Hintergrund der Ereignisse eine starke emotionale Resonanz verleiht. Im Kontrast dazu folgt wie als nachdenkliche Pause der instrumentale, fragend wirkende „Nachhall“.
Musikalisch toben sich die Hamburger Mannen an einer Vielzahl von Instrumenten aus, mit denen sie ihren rumpelden Sound kreieren. Unter den Songs finden sich forsche Garage-Funker („Der Falsche Kuss“) genauso wie düstere Elektro-Stampfer („Ma Place“). Die Vocals werden häufig zum eindringlich vorgetragenen Sprechgesang, andernorts wird den Texten mit einfachen repetitiven Melodie-Hooks Nachdruck verliehen.
Gewohnt kritisch und am Puls der Zeit bewegen sich die Goldenen Zitronen auf „Who’s Bad“ zwischen Punk, Noise und Kunstmusik. Ted Gaier sprach kürzlich in einem Interview mit der taz von einem bipolaren Bandgefüge zwischen instrumentalem Krautrock und textlastiger Musik mit „sehr speziellem“ Gesang – das beschreibt die Musik der Goldenen Zitronen sehr gut. Doch wo alle beschreibenden Worte nicht mehr weiterkommen, sollte man „Who’s Bad“ am besten selbst erleben.
VÖ: 27. September 2013
Label: Buback
Diskussionen
2 KommentareJeff
Sep 25, 2013Liebes Byte-Team,
gegen die Wahl Eures Albums der Woche protestiere ich in aller Schärfe. Mir scheint, dass Klüngelei im Spiel ist. Denn mal im Ernst: Die Goldies sind inzwischen leider verkommen zu einer feuilletonistischen und arroganten Besserwisserband, Und das Wort „Gentrifizierung“ – ich kann es nicht mehr hören. Schorsch Kamerun und Ted Gaier sind inzwischen so gefangen in ihrem elitären Kulturbetrieb, dass es ihnen anscheinend unmöglich ist zu reflektieren, das sie mit an der Spitze der Gentrifizierung stehen. Das würden die beiden natürlich ultraironisch abstreiten (ohne Ironie geht bei denen ja gar nichts mehr) und ihr Theaterpublikum würde ihnen dazu applaudieren. Sind halt alle doof, die nicht kapieren, dass die Goldies cool sind und darum an die Spitze des Widerstandes gegen alles mögliche gehören. Mich nervt diese Band und ihr Getue nur noch, aber ich wähle ja auch inzwischen eher die FDP als die Grünen.
the finest!
Jeff
Ruben Jonas Schnell
Sep 26, 2013Lieber Jeff,
vielen Dank für Kommentar und Protest. Es freut uns, dass unsere Wahl des Albums der Woche eine so energische Reaktion hervorruft. Natürlich hat die Auswahl nichts mit Klüngelei zu tun. Wir befürchten sogar, die Goldies wissen nicht mal, dass „Who’s Bad?“ unser Album der Woche geworden ist. Aber wir finden: ein tolles Album einer Band, die auf ihre eigene Art und Weise noch immer provoziert. Dein beherzter Kommentar bestätigt diese Einschätzung. Eine Platte, eine Band, die so schön polarisiert, hat es auf jeden Fall verdient, mit der Wahl zum Album der Woche bei ByteFM ausgezeichnet zu werden.
Danke für Ohren und Gedanken
& viele Grüße
Ruben