Dickes B – Bristol. Die Stadt im Süd-Westen Englands gilt im Dubstep-Garten längst als „alte Eiche“ – allen Witterungen zum Trotz. Auch die eigene Sippe attestiert dem britischen Vorzeigegenre der letzen Jahre einen gewissen Ästethik-Verfall.
Davon will Altmeister Peverelist nichts gehört haben und veröffentlicht auf seinem Label Punch Drunk Records das lang erwartete fantastische Debütalbum des 21-jährigen Produzenten Guy Middleton aka Guido. Mit „Anidea“ bekräftigt er seinen Standpunkt in „Bristol’s New Generation“.
Guido – „Anidea“
Der Einstieg der Platte geht ins Mark. Der Titeltrack ist ein zusammengefrickeltes Werk aus Raum und Zeit. Er verbindet ins-Auge-schießende Snare-Beats, wellenartige Basslinien und entfremdete Saiteninstrumente zu einem intelligenten musikalischen Potpurrie, das an keiner Stelle aufdringlich klingt, sondern ein intimes Daherbrutzeln zelebriert. Im Laufe des Albums wird weder vor Auto-Tune-Effekten, noch vor Jazz-Eskapaden Halt gemacht. „Anidea“ ist eine durchdachte Produktion und öffnet den Blick in Richtung experimentellerer Areale von Dubstep. Diese Schublade wird aber nur oberflächlich geöffnet, am Rand des Konstrukts sind klare R&B-Strukturen erkennbar.
„Beautiful Complication (feat. Aarya)“ verbindet glitchy dröhnende Bässe mit Rihanna-ähnlichem Pop-Gesang und könnte in leicht veränderter Form zum Chart-Erfolg werden. Bis es so weit ist, holt sich der gelernte Klassik- und Jazzpianist reichlich Verstärkung. Yolander, u.a. für den Bühnengesang von Massive Attack zuständig, lässt auf „Way You Make Me Feel“ so einige Ohren aufhorchen. Ihre Stimme wird als rhythmisches, leicht lo-fi daherkommendes Leitmotiv eingesetzt. Der Song ist eine Mischung aus ruhigen flirrenden Passagen und agilen Breakbeat-Soul-Fusionen und evoziert eine starke Ausschüttung von Endorphinen. Ein echter Hit!
Guido – „Way You Make Me Feel“
Bislang ist „Anidea“ neben Ital Teks wunderbarer „Midnight Colour“-LP die beindruckenste Außenseiter-Dubstep-Platte des Jahres und macht Hoffnung auf eine Renaissance kraftvoller, agiler Produktionen aus Süd-West-England. Schreibt Euch den Namen hinter die Ohren: Guido!