Googoosh zählt zu den größten Stars Irans. Nach über 20 Jahren Isolation und der Ausreise nach Kanada feierte sie ein Comeback im Exil (Foto: Still aus dem Kinofilm „Made Of Fire“)
Googoosh wurde in Iran der 1960er- und 1970er-Jahre zum Superstar. Sie verband persische Lyrik mit westlichen Stilen wie Jazz, Pop, Blues und Disco zu einer komplett neuen Musik, die bis dato in der iranischen Popkultur kaum bekannt war. Auch ihr Kleidungsstil, Kurzhaarschnitt, Sex-Appeal und Bühnenauftritte unterschieden sich erheblich von anderen Pop-Sängerinnen jener Epoche. Googoosh galt Millionen von Iranerinnen zudem als Vorbild für ein kosmopolitisches, modernes und vor allem selbstbestimmteres Leben in einer patriarchalisch geprägten Gesellschaft. Sie sang auch auf Türkisch, Spanisch, Englisch und Französisch und war außerhalb der Landesgrenzen sehr erfolgreich. Für Islamisten und viele konservative Iraner*innen war sie hingegen ein Symbol einer verhassten „Verwestlichung“.
1979 kam ihre Karriere zum abrupten Stillstand, als in Iran die autoritäre, prowestliche Regierung des Schahs gestürzt wurde und ein skrupelloses islamistisches Regime die Macht übernahm. In der Islamischen Republik Iran wurde Popmusik verboten und Frauen das Singen in der Öffentlichkeit untersagt. Viele Künstler*innen verließen fluchtartig das Land, Googoosh blieb und verstummte für 21 Jahre. Sie verwandelte sich in einen „eingesperrten“ und „durchschnittlichen Menschen“, wie sie später sagte. Ihre Lieder lebten aber im Verborgenen weiter, heimlich kopiert und von Generation zu Generation weitergegeben. Besonders in der iranischen Diaspora war und ist ihre Popularität ungebrochen. Sie verwandelte sich in eine nationale Ikone, die auch eine nostalgische Sehnsucht nach persönlichen Freiheiten, nach einem modernen Iran und der verlorenen Heimat verkörperte. Zuweilen zeigten diese sentimentalen Gefühle aber auch eine gewisse Geschichtsvergessenheit gegenüber der brutalen Herrschaft des Schah-Regimes. Im Jahr 2000 konnte Googoosh ausreisen und feierte ein triumphales Comeback. Danach setzte sie sich immer wieder für Menschen- und Frauenrechte in ihrer Heimat ein.
Ihre Beliebtheit versiegte auch nach Jahrzehnten der Abwesenheit nie. Ihre harmonischen, kraftvollen und zeitlosen Lieder werden von allen Altersklassen gehört. Ein Ruhm, der sich schon in frühen Kindheitstagen abzeichnete.
Iran & die Weiße Revolution
Faegheh Atashin wurde am 5. Mai 1950 als Kind aserbaidschanischer Einwander*innen in Teheran geboren. Mit ihrem Vater, einem Akrobaten, betrat sie bereits im Alter von drei Jahren die Bühne und begleitete ihn anschließend bei Auftritten in iranischen Städten. Ihr Vater nannte sie Googoosh. Diesen Künstlernamen legte sie nie ab. Anfangs imitierte sie noch populäre Sängerinnen wie Pooran und Delkash, konnte aber schnell ein wachsendes Publikum durch ihre eigene Gesangskunst begeistern. Mit sieben Jahren fing sie überdies mit der Schauspielerei an und avancierte vom Kinder- zum Megastar. In den 1960er- und 70er-Jahren spielte sie in zahlreichen Blockbustern wie „Beggars Of Tehran“ oder „Dar Emtedad-e Shab“ mit. Insgesamt performte sie in mehr als 20 Filmen. 1966 erschien ihre erste Single „Ghesseye Vafaa“, die bis heute eine der meistverkauften Platten in der Geschichte Irans ist.
Googoosh wuchs in einer turbulenten Phase der iranischen Geschichte auf. 1953 wurde der damalige Premierminister Mohammed Mossadegh durch einen Putsch, von Teilen der iranischen Armee, von britischen und US-Geheimdiensten unterstützt, aus dem Amt entfernt. Er hatte es gewagt, die iranische Erdölindustrie zu verstaatlichen und damit ein britisches Monopol auf die Ausbeutung des Öls beendet. Iran wurde anschließend auf Druck Londons von internationalen Ölfirmen boykottiert, was zu einer massiven Wirtschaftskrise führte. Mossadegh genoss trotzdem die Unterstützung weiter Teile der Bevölkerung und verweigerte sogar seine Amtsenthebung durch Schah Mohammad Reza Pahlavi, der nach Unruhen aus dem Land fliehen musste.
Nach dem Sturz Mossadeghs und der Rückkehr des Schahs wurde die Repressionen gegen eine als gefährlich eingestufte Opposition verschärft und der Monarch zum treuen US-Verbündeten. Dank der nun geteilten Öleinnahmen zwischen Iran und westlichen Ölkonzernen, trieb der Schah die Industrialisierung und die Modernisierung der Streitkräfte voran. Er stand für einen prowestlichen Kurs, der auch in einigen sozialen und ökonomischen Reformen deutlich wurde. 1963 erhielten die Frauen das Wahlrecht. In den Folgejahren erhielten sie zudem durch das Familienschutzgesetz eine Besserstellung bezüglich Scheidung, Mindestheiratsalter und sogar Abtreibung. Die Reformen der „Weißen Revolution“, die auch eine Landreform beinhalteten, fanden anfangs die breite Zustimmung der Bevölkerung. Sie stießen aber bald auf den Widerstand der schiitischen Geistlichkeit um Ruhollah Khomeini, dem besonders Frauenrechte, die Bodenreform und die prowestliche Politik zuwider waren. Das Schah-Regime reagierte mit Verhaftungen, Folter, Unterdrückung der Meinungsfreiheit und mit dem gefürchteten Geheimdienst Savak. Auch das Wahlrecht sollte sich als Farce entpuppen, weil es keine freien Wahlen gab.
Globaler Superstar
Die Reformen und die Westorientierung verbesserten besonders das Leben der Menschen der Mittel- und Oberschicht. Frauen, besonders in den Städten, waren selbstbewusster. Sie besuchten Hochschulen und studierten im Ausland. Sie wurden Abgeordnete und Ministerinnen, kleideten sich modisch, machten Sport und feierten Partys. Das Bild Irans im Westen wurde auch durch die Regenbogenpresse geprägt, die vom glamourösen Lifestyle der Schah-Familie entzückt war. Besonders die elegante Schah-Gattin Farah hatte es dem Boulevard angetan.
Die Iranerinnen lebten oft in Parallelwelten, einerseits traditionell eingestellte Frauen, die zum Beispiel den Schleier nicht ablegen wollten und andererseits Frauen, die Schriftstellerinnen, Schauspielerinnen oder Sängerinnen wie Googoosh wurden. In den 1970er-Jahren entstanden in der Hauptstadt Teheran Stadtviertel, in denen die neue Mittelschicht lebte. Plattenläden sprossen aus dem Boden, und die persische Musik verband sich mit der westlichen Popkultur. Das 1959 gegründete Label Ahang Rooz wurde zum Aushängeschild der neuen iranischen Musik um Stars wie Googoosh.
In Zusammenarbeit mit Komponisten wie Hassan Shamaizadeh und Varoujan verknüpfte sie Elemente des melodramatischen Gesangsstils mit Soul, Funk, Jazz und Rock. Sie verkörperte einen neuen, selbstbewussten Frauentyp. Ihre Fans kopierten ihren extravaganten Modestil und ihren Kurzhaarschnitt, den „Googooshy“.
Auch im Ausland gewann sie immer mehr Zuhörer*innen. In Iran, Aserbaidschan, Zentralasien, Nordafrika und Europa wurde ihre Musik gefeiert. 1971 sang sie in Paris und gewann in Cannes den ersten Preis als beste*r Sänger*in auf der Musikmesse Midem mit den französischen Songs „Retour de la Ville“ und „J’entends crier je t‘aime“. 1973 trat sie beim berühmten Musikfestival in Sanremo auf. Im selben Jahr wurde ihr spanischsprachiges Lied „Desde hace tiempo“ in Südamerika zum Hit. Sie performte mit Ray Charles, Charles Aznavour und Julien Clerc. Am 31. Oktober 1977 sang sie bei der Geburtstagsparty zu Ehren des iranischen Kronprinzen. Wenige Monate nach ihrem Auftritt zeichnete sich aber schon die Götterdämmerung der Alleinherrschaft des Schahs ab.
Der Unmut gegen ihn wurde ab 1978 immer stärker. Die Korruption, die Prunksucht des Regenten, die schlechte Wirtschaftslage, die Verarmung großer Teile der Landbevölkerung infolge der gescheiterten „Weißen Revolution“, die Säkularisierung des Landes und die auf die USA ausgerichtete Außenpolitik trieben immer mehr Demonstrant*innen verschiedener politischer Lager auf die Straße. Das Regime versuchte sich anfangs durch Gewalt zu halten, konnte aber seine Agonie nicht mehr aufhalten. Der Schah floh im Januar 1979 nach Ägypten. Der aus dem Exil zurückgekehrte Khomeini riss die Macht an sich und errichtete ein autoritäres islamistisch-theokratisches Regime. Die meisten erkämpften Frauenrechte wurden abgeschafft und dem weiblichen Teil der Bevölkerung restriktive Verschleierungsregeln auferlegt.
Klima der Angst
Ebenso wurde die moderne iranische Popkultur ausradiert. Menschen warfen ihre Vinylplatten aus Angst weg, viele Musiker*innen verließen hastig das Land. Sängerinnen wurde das Singen verboten. Googoosh, die zum Zeitpunkt der Revolution in den USA weilte, kehrte nach einigen Monaten trotz Warnungen in ihre Heimat zurück und wurde hier mit aller Härte mit der neuen Realität konfrontiert.
Als Symbol eines als verdorben definierten Westens, spürte sie sofort den Fanatismus der neuen Machthaber. Sie wurde festgenommen, verhört und für einen Monat eingesperrt. Ihr wurde der Reisepass abgenommen und ein Berufsverbot erteilt. Sie musste versprechen, keine Partys oder Versammlungen zu besuchen. Keine Musik, keine Filme: die junge Frau wurde zur Abstinenz verdammt. Sie konzentrierte sich fortan auf ihr Familienleben, las, fand Trost in der Spiritualität und zog sich gezwungener Maßen für 21 Jahre zurück. Ihre Fans vergaßen sie hingegen nicht. In Iran blühte ein Schwarzmarkt mit illegal produzierten Googoosh-Aufnahmen: „Sie haben alles versucht, um mich auszulöschen“, sagte sie später dem US-Radiosender NPR, „ich meine, meinen Namen, meine Position, meine Lieder, mein Gesicht und die Erinnerung an mich auszulöschen. Aber sie konnten es nicht.“
In einer Phase der Lockerung gestattete ihr das Regime im Jahr 2000 für ein Filmprojekt mit ihrem damaligen Mann die Ausreise. Ihr erstes Konzert im Juli in Toronto vor etwa 13 000 Zuschauer*innen, viele aus der iranischen Exil-Community, wurde zum phänomenalen Comeback. Im selben Jahr erschien ihr Album „Zoroaster“. Danach veröffentlichte sie kontinuierlich neue Longplayer, brachte eine eigene Kosmetiklinie auf den Markt, stand als Leiterin und Jurorin einer beliebten TV-Talentshow vor und ging auf erfolgreiche Welttournee.
Die vor der iranischen Revolution eher unpolitische Googoosh, erhob jetzt auch ihre Stimme gegen das Mullah-Regime in Iran. 2009 setzte sie sich in New York öffentlich für die Freilassung von politischen Gefangenen ein. 2014 prangerte sie die Homophobie in Iran an und zeigte in einem Video ihres Liedes „Behesht“ ein lesbisches Liebespaar. Im Jahr 2022 widmete sie ihr Frankfurter Konzert Jina Mahsa Amini, einer jungen Frau, die von der Sittenpolizei in Teheran wegen angeblich „unislamischer Kleidung“ gewaltsam festgenommen wurde, auf der Polizeiwache ins Koma fiel und kurz darauf verstarb. Ihr Tod löste landesweite Proteste aus, die die Staatsmacht blutig niederschlug.
Im Jahr 2024 erschien dann noch die filmische Würdigung durch die Dokumentation „Googoosh – Made Of Fire“ der Regisseurin Niloufar Taghizadeh. Aktuell dürfte Googoosh auch wieder stärker ins Bewusstsein jüngerer Generationen rücken: So ist sie als Gästin auf „Azizam“, der neuen Single von Pop-Superstar Ed Sheeran zu hören.