Neue Platten: Kreisky – „Blick Auf Die Alpen“

Kreisky - Blick Auf Die Alpen (Buback)Kreisky – „Blick Auf Die Alpen“ (Buback)

8,5

Melodische Dissonanzen und schrammelige Gitarrenriffs in Kombination mit Texten, die richtig auf die Eier gehen. Kreisky haben mit „Blick Auf Die Alpen“ ein Album hingerotzt, das mit seiner negativen Grundhaltung gegenüber einer Kultur der Ahnungslosigkeit besticht, nervt und nervend (be)sticht.

Die Texte Kreiskys leben von einer verschleierten Subtilität, dem Unaussprechbaren in der ausgesprochenen Banalität des Alltags. Franz Adrian Wenzl, Martin Max Offenhuber, Gregor Tischberger und Klaus Mitter, die Namen hinter Kreisky, biedern sich nie an. Sie sind die übelgelaunte Generation der gescheiterten Kinder Adornos. Es gibt kein richiges Leben im falschen. Aber man kann Musik drüber machen.

Dreckige Gitarrenriffs betonen die Ekelhaftigkeit des Alltäglichen, mit dem wir uns alle abgeben müssen – nicht nur in Alpenregionen. Im feinsten (weil derben) Wienersprech regen sich Kreisky auf. Über „Medienpunks“, die das Elend des Menschen filmen, ohne Reue, ohne Moral. Und sie zitieren diese Arschgesichter: „Ja, es ist vielleicht kein Leben, aber es ist gutes Material.“

In „Selbe Stadt, Anderer Planet“ dreht sich alles um den alltäglichen Wahnsinn unserer kapitalistischen Konsumgesellschaft, die die Menschen zu dem zwingt, was sie am meisten verabscheuen: Aufstehen, arbeiten, arbeiten, aufstehen. Bilder von Chaplins „Moderne Zeiten“ poppen auf. Und was bleibt denen, die arbeiten? Der Hass: „Alle müssen raus. Alle müssen zur Arbeit, nur die Studenten nicht.“

Entrüstet ist man beim Hören. Und fassungslos. Über ein Leben, das einfach nicht verschwinden will. Nicht mit einer Million Euro und nicht mit einer Milliarde. Am Ende steht die Frage, was von den Suchenden einer Gesellschaft gefunden wird oder gefunden werden darf. Die Antwort ist so grausam, wie banal: „Rinderhälften zu Discounterpreisen. Rinderhälften zu Discounterpreisen. Rinderhälften zu Discounterpreisen. Rinderhälften zu Discounterpreisen. DAS finden sie.“

„Blick Auf Die Alpen“ ist ein geschrammeltes Sammelsurium an Momentaufnahmen unser aller Leben. Von Momenten wie Rasierklingen: Frage: „Habt ihr etwa mein Tagebuch gelesen?“, Antwort: „Ja, wir haben Dein Tagebuch gelesen. DAS IST UNSER GUTES RECHT!! (Wir machen uns Sorgen um Dich)“ oder „Mein Vater ist so peinlich. Meine Mutter ist so peinlich. Mein Bruder ist so peinlich. Alle sind so peinlich.“ Am peinlichsten für Kreisky indes ist wohl der arrivierte Heimatheld, Typ Schwarzenegger, der sich im dem Album dem Namen gebenden Lied selbst feiert: „Es heißt, Du warst einer von uns, hast Dir alles hier selbst aufgebaut. Das ist eine schöne Terrasse. Ein herrlicher Blick auf die Alpen.“ „Oh, Du hast ein großes Glied. Das darfst Du aber nicht in den Mund nehmen. Nimm das nicht in den Mund! Das ist ekelhaft!“

Nach einer Stunde Kreisky am Stück ist das Gehirn gemartert. Nach einer Stunde Kreisky am Stück ist die Frage, was eigentlich das verdammte Problem ist, so dringlich wie nie zuvor. Die Antwort liefern Kreisky im letzten Stück ihres Albums: „Die Erde ist ein Todesstern und wer auf ihr lebt, muss sterben. Die Erde ist ein Hassplanet, der sich um sich selber dreht.“

Fazit: Ein großartiges Album für jeden, der nicht gerade an Depressionen leidet.

Label: Buback | Kaufen

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