Neue Platten: Phosphorescent – "Muchacho"

Von philippkoehler, 14. März 2013

Phosphorescent - Muchacho (Dead Oceans)Phosphorescent – „Muchacho“ (Dead Oceans)

7,5

Wie hört es sich an, wenn der durch die Steppe ziehende Cowboy neben seiner Gitarre auch eine Handvoll Synthesizer im Gepäck hat? Matthew Houck, der Songwriter und Musiker hinter dem Alias Phosphorescent, liefert mit seinem neuen Album „Muchacho“ einen Eindruck davon, wie das klingen könnte.

Entstanden sind die Songs auf „Muchacho“, als Houck selbst so etwas wie ein umherziehender Musiker war. Als er Anfang 2012 gezwungen war, seine Wohnung und sein Studio in New York zu verlassen, buchte er kurzerhand ein Ticket nach Mexiko, nahm eine Gitarre mit und verließ drei Stunden später die USA, um an den Songs zu arbeiten, zu denen ihn seine Situation inspiriert hatte. Als er eine Woche später zurückkehrte, fand er nicht nur eine neue Bleibe, sondern hatte auch das Songmaterial für sein neues Album im Gepäck.

Dass Houck ursprünglich einmal vorhatte, an einem Ambient-Album zu arbeiten, ist an „Muchacho“ nicht spurlos vorübergezogen. Phosphorescents gewohnte Country-Einflüsse werden um schwebende Synthesizer-Flächen ergänzt und sorgen für eine träumerische Atmosphäre. Auch der Mexiko-Aufenthalt hat das Album stark beeinflusst: In die Arrangements von „Muchacho“ mischen sich immer wieder Teile, die klingen, als hätte Matthew Houck eine Mariachi-Band im Studio engagiert. Zu twangenden Gitarren und fluffigen Elektronikwolken gesellen sich sehnsuchtsvolle Geigen, flehende Trompeten und bisweilen auch ganze Bläsersätze. Wer jetzt vor lauter Stilmischung die Nase rümpft, dem sei versichert, dass all das durchaus ein homogenes und gefälliges Gesamtpaket ergibt.

Was musikalisch zunächst angenehm warm und stellenweise fast schon einlullend wirkt, lässt beim Blick auf die Texte eine ganz andere Stimmung aufkommen. Songtitel wie „A New Anhedonia“ lassen erahnen, dass Phosphorescents neues Album thematisch vor allem melancholisch ausfällt. Die Songs auf „Muchacho“ handeln von Verzweiflung und Scheitern. Dennoch sind sie nie hoffnungslos – im Gegenteil: Immer wieder ist es die Liebe, die die niedergeschlagenen Situationen in Houcks Songs retten kann.

„Muchacho“ schafft es, das Soundspektrum von Phosphorescent um neue Facetten zu bereichern. Mag die Vorstellung von Elektro-Songwriter-Mariachi-Country erst einmal völlig wirr erscheinen, schafft es Matthew Houck, all diese Elemente erfolgreich unter einen Hut zu bringen. Leider ist sein Songwriting auf dem neuen Album etwas weniger wagemutig. Das heißt nicht, dass die Songs schlecht oder einfallslos wären, denn das ist ganz sicher nicht der Fall. Dennoch wirken die Songs in ihrer Struktur größtenteils geradlinig und lassen die in den Arrangements zu findende Experimentierfreude ein wenig vermissen. Nichtsdestotrotz sollten Freunde experimenteller Songwriter unbedingt in „Muchacho“ reinhören, es lohnt sich.

Label: Dead Oceans | Kaufen

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Diskussionen

2 Kommentare
  1. posted by
    Bene
    Mrz 15, 2013 Reply

    Der Track (und nicht nur der) klingt stark nach Daniel Lanois…

  2. posted by
    Ruben
    Mrz 15, 2013 Reply

    stimmt. Und auch an Bon Iver erinnert die Platte

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