Neue Platten: Station 17 – "Fieber"

Wer? Was? Warum? ByteFM Redakteure besprechen eine Auswahl aktueller Neuerscheinungen.

Wer? Station 17 entstanden bereits 1988 als Projekt der Wohngruppe 17 im Behindertenwohnheim der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Hamburg. Am Anfang stand die Idee, eine Band zu gründen, die zum Teil aus behinderten, zum Teil aus nicht-behinderten Menschen besteht. Diese Idee hat sich bis heute gehalten. Ende März erscheint mit „Fieber“ bereits das achte Album der Band.

Was? „Fieber“ beginnt kühl. Es knistert und fiept, bevor der Bass einsetzt, der über die Länge des gesamten Albums ein angenehm zurückhaltendes, aber trotzdem präsentes Fundament bildet. Der Gesang wird im Eröffnungsstück „Die Königin“ dahingeflüstert, alles wirkt ein bisschen unnahbar und distanziert. Umso einladender kommt das zweite Lied „Uh-Uh-Uh“ daher. Der Beat hüpft locker vor sich hin, die Funk-Gitarren werden beiläufig eingeworfen und mit dem Refrain „Uh-Uh“-Refrain hat das alles fast Ohrwurmcharakter. Danach geht es instrumental weiter. Ein Merkmal, das überhaupt weite Strecken des Albums ausmacht. Der Bass ist wieder genauso behaglich warm und unaufdringlich wie am Anfang. Neben diesem repetitiven Element passiert allerlei. Es wird viel experimentiert, die Musiker probieren sich aus. Vor der Hälfte des Albums nimmt die Musik Krautrock-Charakter an, um mit dem sechsten Lied „Porto Pronto“ und seinem stampfenden Beat im Club anzukommen. Später wird alles wieder industrieller und experimenteller. Im Titelstück „Fieber“ wirken die Improvisationen wie Fieberattacken, die unangekündigt angreifen und sich an einem austoben. Zu keinem Zeitpunkt ist das aufdringlich, denn die Platte beinhaltet nicht nur das Fieber selbst, sondern auch die Genesung, die sich großartig anfühlt.

Warum? Die Distanz und Unnahbarkeit, die zunächst oft empfunden wird, ist nur eine vordergründige. Das Album verzichtet lediglich auf herkömmliche Songstrukturen. Daran liegt es, dass man das Gefühl haben kann, man kann sich alldem nicht nähern. Tatsächlich handelt es sich aber um ein gekonntes Spiel mit den Eigenschaften Unzugänglichkeit und erobernde Direktheit. Eine nahezu perfekte Dramaturgie. Bei Station 17 gehe es um die einzelnen Künstler und das Zusammenfügen der Stärken des Einzelnen zu einem großen Ganzen, meint Gitarrist und Bassist Peter Tiedeken. In der Band soll jedem eine Plattform geboten werden, um sich so individuell und charakterlich spezifisch wie möglich auszuleben. Gerade das macht „Fieber“ zu einem spannenden, abwechslungsreichen Album.

Label: 17rec | Kaufen

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