Bosnian Rainbows – „Bosnian Rainbows“ (Clouds Hill)
7,0
Man könnte meinen, Bosnian Rainbows seien Frischfleisch in der Musikindustrie, gründete sich die Band doch erst vergangenes Jahr. Falsch gedacht! Die einzelnen Bandmitglieder sind alte Hasen, jeder mit seiner eigenen musikalischen Vorgeschichte.
Omar Rodríguez-López ist eines der vier Regenbogenteile. Er legte für Bosnian Rainbows sein über zehn Jahre andauerndes Projekt The Mars Volta auf Eis. Vom Diktator zum Kollaborateur – so könnte man den neuen Karrierepfad beschreiben. Rodríguez-López hat gelernt, in dieser Formation als Teil mitzuarbeiten und den Kontrollzwang abzulegen. Nach zahlreichen Soloalben konzentriert sich der Gitarrist, Komponist und Songwriter nun auf das neue Projekt, in dem auch sein ehemaliger Bandkollege Deantoni Parks wieder an Schlagzeug und Keybord mitwirkt.
Teri Gender Bender übernimmt die Stelle der Sängerin. Sie ist eine zierliche Frau mit feinen Gesichtszügen, die von einem mädchenhaften Pony umrahmt sind. Doch der Schein trügt, diese Frau ist alles andere als ein zurückhaltendes Persönchen. Zuvor sang Teri für die Punkband Le Butcherettes, nun leiht sie Bosnian Rainbows ihre unverkennbare Stimme und Bühnenpräsenz. Wer in den Genuss eines Konzerts der Band gekommen ist, weiß, wovon die Rede ist. Nicci Kasper komplettiert den Regenbogen mit seinen flinken Fingern am Keybord.
Doch nun zum Debütalbum „Bosnian Rainbows“. Gute Nachrichten: Die Fusion funktioniert. Was wir zu hören bekommen, ist ein kunstvolles Ensemble aus Gitarren, Synthesizern, Schlagzeug und eindringlichem Gesang. Der erste Track auf der Platte, „Eli“, ist atmosphärisch. Schaurig-schön klingt das zu Beginn und entlädt sich zur Mitte zu einer lauten, düsteren Klangwelt. Wer auf die Texte achtet, bemerkt schnell die poetische Ader. In „The Eye Fell In Love“ fragt Teri mit dringlicher Stimme: „Tell me, where is all the pain left in the world?“
Bosnian Rainbows machen Musik, um sich und die Welt besser zu verstehen. Es ist eine Art Therapie, ein Versuch, sich selbst durch Musik näherzukommen. Sie sprechen Themen an, die alle Menschen miteinander vereinen: Jeder stellt sich Fragen über die Liebe, das Sterben, Sex und die Steuererklärung.
Der Track „Turtle Neck“, der auch die zweite Singleauskopplung aus dem Album ist, erzeugt zunächst Assoziationen einer Wiese, über der vereinzelt die Sonne scheint und zwischen den Bäumen ein Regenbogen hervorlugt. Sehr romantisch, würde es nicht durch die abgefahrene Gitarrennummer abgelöst werden. Es klingt nach Matsch und Regen, aber der guten Art. „Red“ und „Mother, Father, Set Us Free“ klingen seichter. Man spürt, das Album neigt sich dem Ende zu. Die sanften Klänge verabschieden einen aus 50 Minuten hypnotisierendem, düsteren, rockigen, fast punkigen Popsounds.
Bosnian Rainbows überzeugen auf der Platte, dennoch gibt es nicht die volle Punktzahl. Warum? Das Potenzial der Band ist groß, ihre wirkliche Stärke liegt jedoch in den Live-Auftritten. Die Musik erhält einen anderen Vibe, sie ist freier. Aus einem Drei-Minuten-Song werden dank Gitarrensolo von Omar mal sieben Minuten. Daher lautet die Empfehlung: Unbedingt mal auf ein Konzert gehen.
Label: Clouds Hill | Kaufen