Laura Marling – „Patterns In Repeat“ (Rezension)

Von Lorena Wilhelmi, 29. Oktober 2024

Cover des Albums „Patterns In Repeat“ von Laura Marling

Laura Marling – „Patterns In Repeat“ (Chrysalis)

8,2

Auf ihrem 2020 erschienenen Album „Song For Our Daughter“ besingt Laura Marling ein damals noch fiktives Kind. Rückblickend ein süßer Wink in die Zukunft, denn ihre neueste Platte „Patterns In Repeat“ knüpft nahtlos an den Vorgänger an: Man hört Gesprächsfetzen, das Glucksen ihres Babys, gefolgt von Laura Marlings eigenem Kichern, als sie den Intro-Song „Child Of Mine“ mit sanftem Gitarrenstrumming anspielt. Die Lyrics, ein mütterliches Versprechen: „Last night in your sleep you started crying / I can’t protect you there, though I keep trying / Sometimes you’ll go places I can’t get to / But I’ve spoken to the angels who’ll protect you.“

Geschrieben 2023, nur vier Wochen nach der Geburt ihrer Tochter, überrascht der Song als kreativer Anstoß, denn ursprünglich hatte Marling geplant, vorerst eine Pause vom Songwriting einzulegen. Immerhin veröffentlicht die heute 34-Jährige Musik, seitdem sie 16 ist und ist seit ihrem Debütalbum „Alas, I Cannot Swim“ (2008) eine prägende Akteurin der Londoner Neo-Folk-Szene.

Glücklicherweise waren die ersten Wochen mit ihrer Neugeborenen nicht begleitet von kreativer Erschöpfung, sondern Ausgangspunkt eines völlig neuen Zugangs zum Songwriting: „Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich einem anderen Menschen in die Augen schauen, während ich schrieb“ – die Intimität, die dabei mitwirkt, pulsiert durch die Songs; ihr Folk-Sound ist so zurückgenommen und puristisch wie eh und je, nun jedoch durch ein neu gewonnenes Gefühl der Verantwortung durchdrungen.

Poetische Beziehungsanalyse

Mit einem einfühlsamen Blick auf Muster und biografischen Schleifen, die sich durch Generationen ziehen, bringt „Patterns In Repeat“ die reifste und reflektierteste Seite von Laura Marling zum Vorschein. Obwohl das Album kein Konzeptwerk über das Muttersein ist, wird Marlings Perspektivwechsel deutlich – plötzlich steht sie inmitten eines Kreislaufs und erkennt sich selbst als Teil einer sich fortsetzenden Abfolge, in der Lebenswege und Bindungen über Generationen hinweg miteinander verwoben sind.

Auf den elf Liedern destilliert sie schwer zugreifende Beziehungsdynamiken zu nachfühlbaren Erzählsträngen und beweist sich erneut als erstklassige Songwriterin (was nach acht Alben niemanden mehr überraschen sollte). Auf eine lineare Erzählweise verzichtet sie dabei und springt stattdessen zwischen verschiedenen Lebensabschnitten und Perspektiven. Die namensgebenden Geschwister-Songs „Pattern“ und „Patterns In Repeat“, die das philosophische Konzept explizit behandeln und Kindheitserfahrungen mit einem tieferen Verständnis für die Entscheidungen ihrer Eltern neu umrahmen, schließen sich wie eine liebevolle Umarmung um den Albumkorpus. Dazwischen singt Marling als Partnerin („No One’s Gonna Love You Like I Can“) und als älterer Familienvater, der von einer vergangenen Liebe heimgesucht wird („Caroline“), während „Your Girl” die komplexe Gefühlswelt einer Tochter entfaltet, die sich mit dem Tod ihrer Eltern konfrontiert sieht.

Eine besondere Kollaboration im Spiel der Zeit und Perspektiven findet in ihrer Adaption von „Looking Back“ statt. Ihr Vater, Charlie Marling, schrieb das Lied mit 20 Jahren über einen Mann, der im Alter auf sein Leben zurückblickt: „Now I’m a prisoner in this chair / Confinded to younger faces / My memories are not with them / But off in distant places.“ 50 Jahre später schafft seine Tochter mit seinen Worten einen berührenden Dialog zwischen den Generationen; ein Dialog über die „Patterns In Repeat“, die sich wiederholenden Muster.

Streicher statt Schlagzeug

Musikalisch bleibt Laura Marling ihrem minimalistischen Fingerpicking-Folk treu, doch der Sound ist reifer, die Arrangements bewusster und die Melodien schlichter. Komplett auf Drums verzichtend, schafft sie Raum für die Nuancen ihrer Stimme, die dynamisch von einem schwebenden Streicher-Arrangement aus Violinen, Bratsche und Cello umhüllt werden. Klingt zwar, wie das Resultat des Dialogs mit den Engeln, auf den Marling im ersten Song referiert, irdischer Verantwortlicher dafür ist jedoch Rob Moose, der bereits Arrangements für andere Folk-Größen wie Sufjan Stevens oder Bon Iver kreiert hat.

Nur selten wird mit dem ruhigen Charakter gebrochen, wenn dann eher durch emotionalen Tumult in den Themen der Songs, etwa in dem Herzstück „The Shadows“, einem bittersüßen Push-And-Pull über Liebe und Verlassen-Werden mit spanischem Western-Flair.

Das Gefühl, als würde Marling ihre Hörer*innen durch das Album wiegen – heißt nicht ein Songs sogar „Lullaby“?! – ist wohl dem besonderen Entstehungsprozess des Albums zu verdanken: Aufgenommen in ihrem Heimstudio in London, mit Marlings Tochter stets in unmittelbarer Nähe, ist „Patterns In Repeat“ Ausdruck ihrer Doppelrolle als Künstlerin und Mutter. Ein schöner Gedanke, dass sie gemeinsam mit ihrer Tochter schon in ihrem ersten Lebensjahr ein Leben voller Emotionen aufgearbeitet hat. Noch schöner, dass sie uns teilhaben lässt.

Veröffentlichung: 25. Oktober 2024
Label: Chrysalis

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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