*Ironie Off*: ein Plädoyer für Pathos, Kitsch und Romantik

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Zwinker, zwinker ist so 2010: Pathos, Kitsch und Co. erleben derzeit ein Comeback in der Popmusik

Das Ende der Ironie wurde ja bekanntlich schon eingeläutet, als jemand zum ersten Mal in seiner Insta-Bio behauptete, er spräche „fließend Ironie und Sarkasmus“. Doch schlägt sich diese Beobachtung eigentlich im Feld des Pop nieder? Gerade innerhalb der jüngeren deutschen Popmusik scheint sich das mit einem „Ja“ beantworten zu lassen und gibt Anlass dazu, einmal näher auf das Verhältnis von Popkultur und Ironie einzugehen. Doch gehen wir erst einmal ein paar Jahre zurück.

Es gab mal eine Zeit, vor etwa zehn Jahren, da war es vor allem Deutschrap, der von einem Teil der Bevölkerung ironisch gehört wurde. Dieser Teil bestand vor allem aus jungen, dem Bildungsbürgertum entstammenden Menschen, die sich nur zu gerne über die prollige Attitüde der Rapper lustig machten, aber schon auch gerne etwas von deren vermeintlicher Coolness abhaben wollten.

Mit Ironie gewinnt man keinen Klassenkampf

An dieser Stelle lohnt sich ein kleiner Abstecher zum Soziologen Pierre Bourdieu und seinem Habitus-Begriff. Der Habitus beschreibt das Verhalten, das Auftreten einer Person, das sich in beispielsweise Sprache oder Kleidung manifestiert und geprägt ist von der sozialen Herkunft, der Erziehung oder dem Kulturkreis, in dem das Individuum aufwächst. Genug Theorie, nun wieder zur Praxis: Wird nun eine Spielart des Pop, die Deutschrap sicherlich ist, ironisch konsumiert, wird auch deren Habitus ironisiert. Es findet die Aneignung von Sprache, von Auftreten statt, deren kulturelle und soziale Hintergründe aber werden dadurch verschleiert und degradiert, sind nur noch performatives Element. Und zehn Jahre später sind wir nun an dem Punkt, an dem das einer der großen Kritikpunkte am Deutschrap ist. Dass er nicht mehr „authentisch“ (schlimme Worthülse, die einmal ein Wort war) sei. Dabei ist diese Entwicklung absolut nachvollziehbar. Was zeigt uns das also? Mit Ironie gewinnt man keinen Blumentopf – und ganz sicher auch keinen Klassenkampf.

Ironie in ihrem Ursprung meint eigentlich etwas beidseitiges. In der Antike beispielsweise einen Redner, der seine Rede mit ironischen Sätzen versah. Als Stilmittel, das vom Publikum auch als solches aufgefasst wurde. Eine Herangehensweise, die sich bis heute hält, wie Werke von Rocko Schamoni und Co. beweisen. Doch scheint sich diese Betrachtung irgendwann auf Seite der Rezipient*innen als so simpel erwiesen zu haben, dass sie auch auf Pop übertragen wird, der nicht so gemeint ist. Betrachtet man die deutsche Musiklandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, so ergibt dies sogar Sinn.

Der kollektive Lernprozess fehlt

Die Musik, die sich im Deutschland der Nachkriegsjahre als massentauglich etablierte, war nun einmal Schlager. Tut niemandem weh, ist was zum Wohlfühlen und alle können sich darauf einigen. Was man darin allerdings zuhauf fand, waren Pathos, Romantik und Kitsch. Das ist auch schon die Krux an der Sache. Pathos, Kitsch und Co. wurden somit nie zu ernsthaften und legitimen Inhalten von Musik. Es ist schlichtweg ein kollektiv-kultureller Lernprozess, der hier fehlt.

Das zeigt sich auch in dem, was man als mainstreamige Gegenoffensive zum Schlager lesen kann. Der Ballermann-Sound, der irgendwann in den 90ern an Fahrt aufnahm, glänzte mit absoluter Inhaltslosigkeit. Wohlfühlen war vorbei, es sollte wieder gefeiert werden. Und wenn es dafür ein bisschen Sexismus braucht, dann ist das auch kein Problem. Dass all dies unter anderem darin gipfelte, dass man zur Fußball-WM der Männer 2014 endlich wieder offen den Nationalstolz feiern konnte, indem man sich über andere Länder lustig machte („Gaucho-Tanz“) und in einem Beinahe-Ausbruch eines Kulturkampfes über ein Lied, das mindestens misogyn („Layla“) ist, zeigt das Gegenteil von dem, was die Hörer*innen des Ballermann-Sounds gerne behaupten. In dieser Musik steckt sehr viel weniger Ironie und Spaß, als es die Namen von Interpreten wie DJ Schürze suggerieren. Zusammengefasst befinden wir uns also an dem Punkt, an dem, bedingt durch jahrelanges popkulturelles Verharren in der Bedeutungslosigkeit nun Sexismus und Co. Kulturgut sind, das es zu verteidigen gilt.

Serious Kitsch

Kommen wir von hier aber nochmal zu Musik mit Inhalten, die sogar hörenswert erscheint. Stellvertretend für Pop, der als ironisch rezipiert wird, das aber gar nicht ist, kann man sich beispielsweise einmal das Album „Pferde & Flammen“ der Band Die Kerzen zu Gemüte führen. Das glänzt mit Kitsch, Pathos und Romantik. Der Ironiestempel wird ihm nicht gerecht und verkennt die Ernsthaftigkeit, die unter anderem in dem Bedürfnis nach Romantik steckt. Die Kerzen sind da bei Weitem nicht die einzige Band im deutschen Sprachraum. Auch Drangsal, Mia Morgan, Levin Goes Lightly und viele weitere können hier genannt werden.

Was bleibt also noch zu sagen? Eine ironische Auseinandersetzung, beispielsweise mit Musik, ist letztlich unbefriedigend bis unhaltbar. Es ist, als würde man als Zuschauer*in eines Konzerts, das Konzert nur über die Handykamera betrachten. Vielmehr ist ironisches Konsumieren von Pop der einfachste und hin und wieder auch einfallsloseste Weg der Auseinandersetzung und bleibt eine Betrachtung, die nur eine oberflächliche sein kann. Sie ist das, was uns von der tatsächlichen Auseinandersetzung trennt und gleichzeitig deren Stattfinden vortäuscht. Pathos, Kitsch und Romantik scheinen Bedürfnis zu sein und es wäre ja auch aus popkultureller Sicht interessant, diesen einmal nachzugehen, es zuzulassen und zu ergründen, warum man eine ironische Betrachtung ernsthaften Bedürfnissen vorzieht.

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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