Erregung Öffentlicher Erregung – „Speisekammer des Weltendes“ (Euphorie)
Ist unsere Garzeit schon erreicht? Eine kulinarische Frage mit apokalyptischen Implikationen, die Erregung Öffentlicher Erregung uns auf ihrer zweiten LP „Speisekammer des Weltendes“ ganz nonchalant in einem Nebensatz stellen. Sind wir schon durch? Klimaforscher*innen beantworten diese Frage schon seit langem mit einem dringlichen „Ja“. Ja, die Welt, wie wir sie kennen, wird untergehen. Vielleicht können wir noch den Schaden minimieren, uns ein bisschen angenehmer in der Misere einrichten, doch dass da bald etwas Großes zu Ende gehen wird, daran gibt es keinen Zweifel.
Lässigkeit bewahren im Angesicht der nahenden Katastrophe war stets eine Stärke von Erregung Öffentlicher Erregung, wie die zwischen Berlin und Hamburg pendelnde Post-Punk-Band schon seit ihrer 2017er Debüt-EP „Sonnenuntergang über den Ruinen von Klatsch“ demonstriert. Als sie auf ihrem 2020 veröffentlichten Debütalbum „EÖE“ von „Kacke in der Jacke“ oder „Blauen Zähnen“ sangen, klang das gleichzeitig ziemlich beunruhigend und aus dem graubunten Alltag gegriffen. Und was ist nun die Antwort des Quintetts auf die größte aller Krisen unserer Zeit? Der Titel verrät es direkt: Auf „Speisekammer des Weltendes“ laden uns Erregung Öffentlicher Erregung zum großen Fressen vorm Ende der Welt ein.
Das große Fressen
Bei all den Essens-Metaphern auf diesem Album kann der Appetit auf jeden Fall schon einmal vergehen: Allein schon in der Single „Top Jeff“ stapeln sich Bohnen-Chilli, veganes Curry und Spareribs. „Es schmeckt alles so guuhuuut“, singt Anja Kasten mit einem enervierenden Jaulen. Doch auch die Blut und Aas verzehrenden Würmer und Zecken kommen hier auf ihre Kosten.
Als Beilage servieren EÖE auf jeden Fall so viel Kraut wie noch nie zuvor, bis die Gruppe im Finale von „Würmer“ in höchsten Jaki-Liebezeit-Rhythmusschleifen kreist. Musikalisch ist die Band in Höchstform, oszillierend zwischen betörender Hypnose und lauter Ekstase. Und auch fernab der kulinarischen Symbolik sind Kastens Texte wieder so giftig und großartig, wie man es von dieser Band gewohnt ist. Erregung Öffentlicher Erregung haben keine Locken, sie haben Knoten. Und ihr „Lebenslauf sieht scheiße aus“. Das alles, wie auch das Vollstopfen an sich, scheint auf diesem Album sowohl Symptom des auslaufenden Spätkapitalismus als auch ein trotziger, rebellischer Akt zu sein. Dieses große Fressen ist nicht immer lecker, große Freude bereitet es aber dennoch von vorne bis hinten.
Veröffentlichung: 18. August 2023
Label: Euphorie
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