L’Rain – „I Killed Your Dog“ (Rezension)

Von Lukas Harth, 16. Oktober 2023

Cover des Albums „I Kiled Your Dog“ von L'Rain

L’Rain – „I Killed Your Dog“ (Mexican Summer)

8,4

Mit ihren ersten beiden Alben „L’Rain“ und „Fatigue“ aus 2017 und 2021 spielte sich Taja Cheek alias L’Rain bereits auf sämtliche Jahresbestenlisten der Musikpresse. Nun möchte die New Yorkerin ihr Talent erneut unter Beweis stellen: Der neueste Wurf trägt den Titel „I Killed Your Dog“ und reflektiert thematisch unter anderem die Widersprüchlichkeit der eigenen Grausamkeit gegenüber geliebten Personen.

Die zu einer Collage zusammengefügten Klangfragmente ergeben ein nicht so leicht durchschaubares Konzept, das erst bei längerer Betrachtung zu einem großen Ganzen wächst. Verbindend sind hierbei unter anderem die Skits zwischen den auskomponierten Tracks, die zwischendurch Zeit zum Verschnaufen lassen. Mit einem solchen kurzen Stück leitet L’Rain ins Album: ein fiktiver Werbespot für Aufrichtigkeit als inhaltlicher Leitfaden. Die Anschläge des Pianos im zweiten Track „Our Funeral“ beißen sich wie die Schlange in den Schwanz – nicht ohne Mühe lässt sich hier Beginn und Ende der Harmoniefolge feststellen. So ist bereits der Einstieg in die Platte mit einem konzentrierten Mitnicken verbunden, das im Verlauf noch intensiver werden soll.

Musikalische Lehrstunde

Bevor Taja Cheek begann, als L’Rain Musik zu machen, spielte sie in diversen Gitarren-Rock-Formationen – angeblich auch in einer Iron-Maiden-Coverband. Im Stück „Pet Rock“ wirkt es vor diesem Hintergrund beinahe so, als wollte sie das Rock-Genre gründlich dekonstruieren und zu etwas Eigenem neu aufbauen. Verzerrte, ineinandergreifende Gitarrenmelodien wie von The Strokes leiten vom ersten, zurückhaltenden Teil in einen frenetischen zweiten, in dem Bassline und Drumfills den Hund noch einmal knurren lassen, bevor er in „I Killed Your Dog“ den Löffel abgeben muss.

Taja Cheek liebt die Ambivalenz in ihren Texten und stellt sie auf bisher all ihren Alben zur Schau. Im Titelstück bleibt es daher unscharf, ob „I Killed Your Dog“ Boshaftigkeit oder Reue-Bekundung sein soll. „I killed your dog, I am your dog“, singt sie in den letzten Zeilen und geht damit hart mit sich selbst ins Gericht. Dabei stellt sie musikalisch hohe Ansprüche an ihre Hörer*innen. Die Struktur des Songs erinnert an eine Lektion aus der Harmonielehre: Schnelle Dur-Moll-Abfolgen sorgen für ein Wechselbad der Gefühle, passend zur unklaren Botschaft der Lyrics.

Welt der Widersprüche

Folk und Traditional sind neben der Rockmusik weitere spürbare Einflüsse der US-Amerikanerin. Das pulsierende Gitarren-Arpeggio in „5 To 8 Hours A Day (WwwaG)“, das an die Klangästhetik der letzten Unknown-Mortal-Orchestra-Produktion erinnert, sowie die mehrstimmigen Vokalarrangements führen zurück zu den Wurzeln afroamerikanischer Musik. Den Eindruck bestätigend, leitet der kanonartige Skit „Sometimes“ im Stile eines Gospels in den Song „rEMOTE“, der mit sanften 808-Paukenschlägen und flirrenden Synthesizer-Flügen das Bett für die Kernfrage der Lyrics legt: Wie lange dauert es, eine geliebte Person zu vergessen? „Maybe one day maybe one day maybe one day“, wiederholt sie wie im Gebet, „I will dust myself off, forget you came, wallow in loneliness till I feel nothing.“

Die Komplexität von „I Killed Your Dog“ kommt zum Ende hin in Stücken wie „Knead Bee“, das eine selbstreferenzielle Fortsetzung des Songs „Need Be“ aus ihrem zweiten Album ist, und „Clumsy“ besonders heraus. Es bleibt schwierig bis unmöglich, dem musikalischen Geschehen vollständig zu folgen, während die studierte Musikerin in Klangwelten moderner Jazz-Fusion-Bands wie Snarky Puppy oder BadBadNotGood abtaucht. „Musik für Musik*innen“ kann manchmal total nerven, verliert sie doch nicht selten den Bezug zu den nicht immer so verkehrten Hörgewohnheiten. L’Rain umfährt dieses unwegsame Gelände geschickt und macht ihr Album auch für Unerfahrene spannend, obwohl rasche Ohrwürmer eher auf sich warten lassen. Als hätte sie das gewusst, schließt das Album mit dem Track, der einer poppigen Four-To-The-Floor-Nummer am nächsten kommt und die Hörer*innen locker aus L’Rains Welt der Widersprüche hinausmanövriert.

Veröffentlichung: 13. Oktober 2023
Label: Mexican Summer

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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