Kurt Vile – „Bottle It In“ (Album der Woche)

Kurt Vile – „Bottle It In“ (Album der Woche)

Kurt Vile – „Bottle It In“ (Matador)

Manchmal braucht man in dieser hektischen Zeit einfach mal einen neun Minuten langen Kurt-Vile-Song. 540 Sekunden lang die Welt ausmachen und sich von dem Vorzeigeslacker aus Philadelphia an die Hand nehmen lassen, der freundliche Anekdoten von der Sonne, dem Mond und dem Strand erzählt, während rückwärts abgespielte E-Gitarren und Orgelklänge wie Cumuluswolken vorbeiziehen. Und auf einmal ist alles „Bassackwards“.

Wenn man Kurt Vile etwas Böses wollte, dann könnte man ihn ein klassisches „One Trick Pony“ schimpfen – laut Wörterbuch eine Person, deren Erfolg nur auf einer einzigen Fähigkeit beruht. Für Vile wäre dieser „Trick“ die Kunst des gemütlich mäandernden Folk-Rock-Songs, dessen schluffige Drums und Gitarrensoli wie Rauch aus der Sportzigarrette durch den Raum wabern.

Tiefenentspanntes One Trick Pony

Doch wie könnte man diesem Mann überhaupt etwas Böses wollen? Jeder Ton, den er seit seinen Anfangstagen als Mitglied bei The War On Drugs aus seinem Instrument gelockt hat, ist liebenswert, jede Textzeile charmant. „Lotta Sea Lice“, sein gemeinsames Album mit Courtney Barnett, war eine der tiefenentspanntesten Platten des vergangenen Jahres, von glorreichen Vorgängern wie „B‘lieve I‘m Goin‘ Down…“ und „Walking On A Pretty Daze“ ganz zu schweigen. Und auch Kurt Viles siebtes Soloalbum „Bottle It In“ ist da keine Ausnahme.

„The devil is in the details“, singt Vile in „Hysteria“ – und er meint es auch: Bei aller Schluffigkeit sind auch diese Songs vielschichtig und liebevoll arrangiert. Wie sich beispielsweise im Outro des ersten Songs „Loading Zones“ ein akustisches und zwei elektrische Gitarrensoli umarmen, ist pure Harmonie. In „Skinny Mini“ baut er mit Orgelbass und Rhodes Piano einen strahlenden Klangraum auf, um ihn nach sechs Minuten mit dem Fuzz-Vorschlaghammer einzureißen. Und in „Mutinies“ schaukelt er sich mit seiner Begleitband The Violators in einen derart einlullenden Groove, dass man die komplexen rhythmischen Taktwechsel des Songs gar nicht mitbekommt.

Dass er sich hier nicht besonders weit aus seiner psychedelischen Folk-Rock-Komfortzone herausbewegt, weiß Vile selbst. Und auch, dass er es gar nicht muss: „Loved you all a long, long while / Some are one trick ponies but so am I.“

Veröffentlichung: 12. Oktober 2018
Label: Matador

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