Die Heiterkeit – „Was passiert ist“ (Rezension)

Cover des Albums „Was passiert ist“ von Die Heiterkeit (Buback)

Die Heiterkeit – „Was passiert ist“ (Buback)

7,1

Die vergangenen neun Jahre haben gezeigt: Stella Sommer ist eine Künstlerin, die ungern auf der Stelle tritt. „Herz aus Gold“, das 2012 erschienene Debütalbum ihrer Band Die Heiterkeit war so etwas wie die deutschsprachige, weibliche besetzte Antwort auf den schluffig-charmanten Indie-Rock der US-amerikanischen 90er-Jahre. Mit dem Nachfolger „Monterey“ reiste ihr Sound zurück in den Anti-Pop der 80er-Jahre. 2016 kam die nächste 90-Grad-Wendung mit dem schwergewichtigen Doppelalbum „Pop & Tod I + II“, ein Doppelalbum mit 20 Songs zwischen Pop und barockem Kunst-Lied. Und dann gab es noch „13 Kinds Of Happiness“, Sommers letztes Jahr veröffentlichtes Solodebüt, auf dem sie die gothische Gravitas ihrer Nico-Gedächtnisstimme noch weiter in die Tiefe ausbaute und dabei auf Englisch sang. Kurzum: Sommer ist eine Musikerin im stetigen Fluss.

So etwas ähnliches singt sie auch auf „Was passiert ist“, dem neuesten Album ihrer mittlerweile zum De-facto-Soloprojekt mutierten Band: „Im Fluss bist du / Bewegst dich immer weiter von mir weg“, heißt es im zweiten Song. Sommer adressiert den Song möglicherweise an einen nicht weiter definierten verflossenen Geliebten, doch die Zeile funktioniert auch als Selbstporträt. Sie bewegt sich in nicht immer vorhersehbaren Bahnen, während mit der wachsenden Entfernung der Mensch hinter der Kunst immer schwerer zu greifen wird.

Betont bocklos und strahlend warme Fragezeichen

Paradoxerweise wird ihre Musik dabei immer klarer. Waren ihre Zeilen früher betont bocklos vorgetragen wurden, intoniert Sommer mittlerweile ihre Konsonanten mit der Sorgfalt ihres ehemaligen Duettpartners Dirk von Lowtzow. Während ihre Stimme so nah klingt, als würde sie einem persönlich ins Ohr flüstern, sind es die Inhalte, die schwammiger werden. Im Verlauf dieses Albums wird nie ganz klar worüber oder an wen diese schönen Wörter gesungen werden.

Vielleicht ist das auch der Grund, warum man mit dem Album Schwierigkeiten haben kann, warm zu werden. Betrachtet man „Was passiert ist“ nämlich auf der puren Sound-Ebene, dann ist es eine wahrlich große Platte geworden. Elf anmutige Art-Pop-Songs, gefüllt mit umarmenden Refrains und weitläufigen, orchestralen Arrangements, in denen man sich lange verlieren kann. Die Heiterkeit praktiziert hier mehr Kate Bush als Nico. Heiterkeit-Stamm-Produzent Moses Schneider und Sommer, die alle Songs auf diesem Album selbst arrangierten, ziehen alle Register: Sie türmen Synthesizer zu großen Klangwänden auf und lassen Seeed-Posaunist Jérôme Bugnon mächtige Bläser-Fanfaren spielen. So strahlend klang diese Band noch nie.

Doch wenn man zwischen dieser wunderbaren Pop-Musik mal ein paar Inhalte zu greifen bekommt, dann sind die leider mitunter etwas ausgewaschen. So charmant Sommer Zeilen wie „Ich sehe dich am liebsten / Als Bild auf Instagram“ singt, so wenig sagt dies 2019 noch aus. Ihre Musik funktioniert am besten als Fragezeichen, wenn die Wörter mit den Tönen verschmelzen – und die Bedeutung sich von selbst auf einer abstrakten Gefühlsebene erschließt. Auch wenn dies eine gewisse Kühle mit sich bringt, die man Der Heiterkeit ohnehin gewohnt sein dürfte. Und die Musik von „Was passiert ist“ funktioniert ohnehin ganz wunderbar.

Veröffentlichung: 1. März 2019
Label: Buback

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