Andy Stott – „Never The Right Time“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „Never The Right Time“ von Andy Stott, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Andy Stott – „Never The Right Time“ (Modern Love)

Andy Stott produziert keine Songs. Er komponiert kleine Ozeane. Die Tracks, die der Künstler aus Manchester veröffentlicht, laden förmlich zum Eintauchen ein. Das war nicht immer so: Stotts 2006er Debüt „Merciless“ war noch ein relativ geradliniger, wenn auch kunstvoller Dub-Techno-House-Hybrid. Mit dem Kopf in den Wolken und den Beinen fest im Club. Das änderte sich 2011, erst mit der Drone-lastigen EP „Passed Me By“, die in etwa so klang, als hätte Burial einen Sunn-O)))-Song geremixt, und dann mit seinem Durchbruchsalbum „Luxury Problems“. Plötzlich offenbarte er ein Meer aus Kathedralen-Hall, Ambientflächen, desorientierendem Geblubber, Geistergesang und Drumpatterns, die so dumpf und endlos klangen, als wären sie direkt unter Wasser aufgenommen worden.

An dieser Erfolgsformel hielt Stott fest, mit leichten Variationen. Auf „Faith In Strangers“ (2014) erweiterte er seine Farbpalette um impressionistische Neoklassik-Tupfer und Field-Recordings. Mit „Too Many Voices“ (2016) wagte er sich an ein paar Pop-Experimente. „It Should Be Us“ (2019) klang wie ein Club-Album im Salzwassertank. „Never The Right Time“, sein sechster und neuester Langspieler, klingt wie ein Amalgam aus all diesen Platten – ein Werk, auf dem Andy Stott all das macht, was er am besten kann.

Endloser Klangozean

Der Album-Opener „Away Not Gone“ beginnt mit einer von kilometerlangen Hallfahnen verschleierten Gitarre – und wird im Verlauf seiner fünfeinhalb Minuten auch nicht greifbarer. Zur Hälfte ertönt eine weit entfernte Frauenstimme, die kaum verständliche und dennoch seltsam vertraute Silben in den Äther haucht. Sie stammt von Alison Skidmore, Stotts früherer Piano-Lehrerin, die seit „Luxury Problems“ auf jedem seiner Alben singt. Der ganze Song kommt ohne Drums oder Percussions aus. Braucht er auch nicht. Stotts Fokus liegt auf formloser Schönheit.

Im anschließenden Titeltrack knarzen die ersten Drumloops los, ein leicht neben der Spur tanzender Beat. Skidmore singt sogar so etwas wie eine Hookline. Abenteuerliche Tänzer*innen könnten vielleicht zu diesem Song herumzappeln. Dies ist jedoch nie das Ziel von Stotts Tracks. Das hier ist Kopfhörermusik in ihrer reinsten Form, vom ASMR-Rascheln und Handy-Störgeräusche kombinierenden „Don’t Know How“ bis zum Zeitlupen-Synth-Pop des Abschlusssongs „Hard To Tell“. Wer diese Musik ganz nah an sein oder ihr Ohr lässt, sollte nur auf eines aufpassen: nicht in diesem Klangozean zu ertrinken.

Veröffentlichung: 16. April 2021
Label: Modern Love

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.