Helen Ganya – „Share Your Care“ (Album der Woche)

Von ByteFM Redaktion, 10. Februar 2025

Cover unseres Albums der Woche „Share Your Care“ von Helen Ganya

Helen Ganya – „Share Your Care“ (Bella Union)

Das große Finale des neuen Albums von Helen Ganya ist eine schlichte Frage: „How did you live the way you did?“ Einfache Worte, die dennoch großes Gewicht haben. Wie hast Du bloß so leben können? Die thailändisch-schottische Musikerin stellt sie ihrem verstorbenen Großvater – der auf musikalisch-magische Art und Weise antworten kann. „It wasn’t easy“, entgegnet er, verkörpert durch die Stimme des Gastmusikers Tony Njoku. „Didn’t need to mimic pain.“ „Share Your Care“, Ganyas dritte LP, ist musikalische Ahnenforschung. In der es, wie so oft in Familiengeschichten, keine einfachen Antworten gibt.

Der ursprüngliche Impuls für diesen Versuch, die eigene Geschichte besser zu verstehen, war der Tod ihrer Großmutter im Jahr 2021 – nicht nur eine geliebte Verwandte, sondern auch ihr hauptsächlicher Bezugspunkt zu ihren thailändischen Wurzeln. Um diese nicht auch noch zu verlieren, begann Ganya ihre frühen Erinnerungen an Thailand und ihre Familie dort, an ihre Großeltern, Tanten, Cousins, Cousinen aufzuschreiben. Diese multigenerationale Trauerarbeit bildete den Grundstein für „Share Your Care“. So ist eine der ersten Zeilen des Albums gleichzeitig ein Begräbnis und ein Wunsch nach Verbindung: „Bring the bones down to where the others are / Bring the bones down to where you lose the path“, singt Ganya im Titelsong. „Share your care, bring the bones, bring the fruit and scars.“

Musikalische Ahnenforschung

Bislang waren Ganyas LPs, das 2019er Debüt „Vanishing Lands“ und der Nachfolger „Polish The Machine“ (2022), mehr von ihrer britischen Seite geprägt. Von Synth- und Psych-Pop, von New Wave und Indie-Rock. Die thailändischen Einflüsse verweigerte sie, auch aus Sorge vor einem exotisierenden, orientalisierenden Blick von Westen nach Osten. Dieses Gefühl thematisiert sie explizit auf „Share Your Care“, in „Barn Nork“, ihrem ersten komplett auf Thai gesungenen Song. Der Titel bedeutet übersetzt „Außenseiter“ – ein Wort, das auch von ihrer thailändischen Familie für sie verwendet wurde.

Doch in der Musik dazu gibt sie sich ganz ihren Wurzeln hin: Erstmals tänzeln traditionelle Thai-Instrumente, wie das xylofonartige Ranat Ek und das Streichinstrument Saw Duang, um ihre psychedelische Synthpop-Musik. Bedient werden diese Instrumente vom thailändischen Musiker Artit Phonron, den Ganya und ihr Produzent Rob Flynn im buddhistischen Buddhapadipa Tempel in Wimbledon kennenlernten. Anderswo auf dem Album spielt Chinnathip Poollap das oboenähnliche Blasinstrument Pi. Im Text von „Barn Nork“ beschreibt Ganya ihr Außenseiterinnentum, musikalisch demonstriert sie aber eine erfolgreiche Zusammenführung beider Welten.

Synthpop-Glanzstücke wie „Fortune“ bekommen durch den klackernden Sound von Phonros Khim eine ganz neue Tiefe, noch weiter verstärkt vom Text, in dem Ganya ihre Mutter anspricht: „You changed your name / You knew the game / Fortune would bless you in another life.“ Die Fusion aus ostasiatischen Sounds und westlichem Pop ist nicht neu – Khruangbin bauten ihre ganze Karriere auf der Kombination aus Thai-Funk, Surf-Rock und Psych-Pop auf. Doch Helen Ganyas Klangkosmos auf „Share Your Care“ ist emotional noch um einiges komplexer.

Veröffentlichung: 7. Februar 2025
Label: Bella Union

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert