Rahill – „Flowers At Your Feet“ (Album der Woche)

Rahill – „Flowers At Your Feet“ (Big Dada)

Rahill Jamalifard ist eine Sammlerin. „[…] Ich habe all diese Gegenstände, egal ob Erbstücke, irgendetwas Signifikantes, eine leere Zigarettenschachtel aus dem Iran oder einfach coole Sachen“, gab die US-amerikanisch-iranische Musikerin jüngst in einem Interview zu. „Auch wenn diese Dinge dem nackten Auge wertlos erscheinen mögen, kann ich sie mit Bedeutung versehen.“

„Flowers At Your Feet“, das Solodebüt von Rahill, fühlt sich auch wie das Werk einer Sammlerin an. Die Musik von Jamalifard war schon immer exzentrisch. Mit ihrer Band Habibi spielt sie ein Amalgam aus Garage-Rock, Psychedelia und iranischer Folklore. Doch die erste LP unter eigenem Namen ist noch deutlich wuseliger und verspielter als die Musik, die sie mit ihren Mitmusikerinnen Lenaya Lynch, Lyla Vander, Ana Becker und Yukary macht. Die Melodien und Hooks sind oftmals von einem Dickicht aus Samples umgeben. Ständig rauscht, blubbert oder murmelt es im Hintergrund.

Rauschen, Blubbern, Murmeln

Was diese Songs nicht davon abhält, extrem catchy zu sein. Für „Flowers At Your Feet“ hat Jamalifard dem Garage-Rock ihrer Band abgeschworen, stattdessen umarmt sie den psychedelischen Klangkosmos. Das Album beginnt mit Ambient-Space-Jazz („Healing“), nur um später Stereolab-esken Avant-Lounge-Pop („Hesitations“) und verträumten Dub („Tell Me“) zu explorieren. Die Singles „I Smile For E“ und die Beck-Zusammenarbeit „Fables“ spannen den Bogen zwischen 90er-Jahre-Neo-Psychedelia aus der Primal-Scream-Schule und verstrahltem Nullerjahre-Indie-Pop à la MGMT oder Peter Bjorn And John. Die weit ausholenden Referenzen werden von Jamalifards exzellentem Gespür für Melodien zusammengehalten – in jedem dieser 14 Songs lässt sich mindestens eine unvergessliche Hookline finden.

Außerdem handelt es sich hier bei dem omnipräsenten Sampling-Gewusel nicht um Lärm des Lärms wegen. „Flowers At Your Feet“ ist ein Album über Familie, Liebe und Verlust – und diese Themen werden von den externen Klangelementen unterstrichen. Im Opener „Healing“ ertönt im Hintergrund ein Audioschnipsel aus einem Kindheitsvideo. Ähnliches passiert in „I Smile For E“, ein musikalischer Abschiedsbrief an Jamalifards verstorbene Tante – deren Gesangsstimme hier als Sample verewigt wurde. Field-Recordings sorgen für ein nostalgisches Raumgefühl – auch wenn man diese Orte selbst noch nie gesehen bzw. erlebt hat. Denn Jamalifard hortet, wie alle Sammler*innen, nicht einfach nur Dinge, sondern Erinnerungen.

Veröffentlichung: 12. Mai 2023
Label: Big Dada