Sasami- „Squeeze“ (Domino Records)
Die „Twenty-Year-Rule“ besagt, dass Mode- und sonstige Trends sich gerne an dem orientieren, was vor 20 Jahren in war. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis einer der fragwürdigsten Hypes der früher Nullerjahre sein unausweichliches Revival feiern würde. Die Rede ist, na klar, von Nu-Metal. Der prolligen Alternative-Rock-Spielart, die die Rock-Radios und -Charts um die Jahrtausendwende in ihren mit Tribal-Tattoos verzierten Griffeln hielt. Man erinnere sich an Korn, an Staind, an P.O.D., an Papa Roach. An Pseudo-HipHop-Beats und an die zahnlosesten Gitarren-Sounds der Musikgeschichte.
Was für ein Glück, dass einer der ersten Acts, die sich an das Nu-Metal-Revival wagen, eine solch versierte und subtile Künstlerin wie Sasami Ashworth ist. es beginnt bereits beim Cover. Das Artwork ihres nun erscheinenden zweiten Soloalbums „Squeeze“ mag rein ästhetisch nur wenige Hausnummern von künstlerischen Verbrechen wie dem Cover von Limp Bizkits „Gold Cobra“ entfernt sein. Nur im Vergleich zu diesen Bandana tragenden Mackern steckt bei „Squeeze“ deutlich mehr dahinter. Ihr Schlangen-Mensch-Hybrid ist eine Variation der japanischen Mythen-Kreatur Nure-onna. Ein Wesen, das der Legende nach beurteilen kann, ob ein Mensch gut oder schlecht ist. Wenn die Person als gut befunden wird, darf sie passieren. Wenn nicht, wird sie gefressen.
Unmackeriger Macker-Rock
Die Giftzähne fletscht Sasami direkt im ersten Song von „Squeeze“: „You sell sex draped in dissonance / U-turn stocks up on innocence“, heißt es in der Strophe. „Hell-fucked economy“, schreit sie im Refrain über unverkennbar dem Nu-Metal entlehnte Gitarren. Auch das Instrumental von „Say It“ würde sich auf einem Linkin-Park-Album nicht allzu unwohl fühlen, inklusive des Emo-Refrains.
Warum klingt dieses Album dann nicht ansatzweise so mackerig, wie es an vielen Stellen musikalisch eigentlich müsste? Na ja, erst einmal weil Sasami natürlich gar kein Macker ist. Die US-amerikanische Musikerin recycelt auf „Squeeze“ nicht einfach Teenage-Angst, sondern erzählt sehr pointierte Vignetten. Kein Nu-Metal-Bro hätte jemals so einen ergreifenden Text wie im abschließenden „Not A Love Song“ schreiben können, in dem Sasami versucht, einen überwältigenden Naturblick einzufangen – und schließlich daran scheitert: „I tried to turn it into / Something so finite / It’s not a photograph / Just a beautiful, beautiful sight.“ Außerdem hat sie den Mut, die Alt-Rock-Ästhetik mit Songs wie „Tried To Understand“ zu untergraben, das mit seinem Folk-Rock auch auf ihr 2019er Debütalbum passen würde. Der Nullerjahre-Proll-Rock-Sound ist für sie nur eines von vielen Werkzeugen – und selbst das beherrscht sie meisterhaft.
Veröffentlichung: 25. Februar 2022
Label: Domino Records