Slowthai – „UGLY“ (Album der Woche)

Cover des Albums „UGLY“ von Slowthai, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Slowthai – „UGLY“ (Method Records / Universal Music)

Wer kennt es nicht: das kleine Teufelchen, das einem von der Schulter aus fragwürdige Impulse in die Ohrmuschel flüstert. Tyron Kaymone Frampton ist ziemlich gut mit ihm bekannt. Der unter dem Namen Slowthai bekannte Künstler hat ihm sogar einen Namen gegeben: „Fuck It Puppet“. Auf „UGLY“, dem dritten Album des Rappers aus Northhampton, kommt es sogar explizit zu Wort. Der gleichnamige Track ist ein Dialog zwischen Frampton und seinem persönlichen Scheiß-drauf-Männchen. „I’m depressed“, sagt Slowthai. „No you’re not“, entgegnet eine schrille Stimme. „I wanna kill myself“, sagt Slowthai. „Good“, antwortet das „Fuck It Puppet“. Und ergänzt noch, dass er dafür sowieso zu feige ist. Dann soll er doch lieber noch mal zum angenehm betäubenden Rauschgift greifen. Das ist leichter.

„Fuck It Puppet“ ist der kürzeste Song von „UGLY“, mehr ein Interlude als ein vollständiges Lied. Für den Kontext dieses Albums ist er jedoch essentiell. Viel ist im Leben von Frampton seit Erscheinen seines Debüts „Nothing Great About Britain“ (2019) passiert. Damals galt er als Enfant terrible des UK-Rap, in der einen Hand ein mit Tollwut-Schaum bespucktes Mikrofon, in der anderen eine Pappmaché-Attrappe des abgetrennten Kopfes von Ex-Premierminister Boris Johnson. Dann kam der Lockdown – und mit ihm plötzlich viel mehr Zeit für Introspektion, für Therapie.

Auf dem 2021er, als Doppelalbum konzipierten Nachfolger „Tyron“ zeigte er sich dementsprechend von einer nachdenklicheren Seite. Damals verteilte er seine aggressiven und seine verletzlichen Anteile auf A- und B-Seite. Doch nun gibt es keine klare Trennung mehr. Anstatt sich in zwei Teile zu reißen, verbindet Frampton seine widersprüchlichen Aspekte miteinander. Auf „UGLY“ ist Slowthai immer 100 Prozent Slowthai.

Von Selbstzerstörung und Selbstliebe

Zu dieser Integration gehörte für Frampton eine Rückkehr zu seinen musikalischen Wurzeln. Und die liegen nicht etwa im Rap oder Grime, sondern im (Punk-)Rock. Als Teenager wollte Frampton eine Band anführen, doch die Rolle des Lead-Sängers verunsicherte ihn. Seine Singstimme gefiel ihm einfach nicht. Der Sprechgesang bei seiner zweiten Liebe HipHop brachte Frampton damals Sicherheit. Nun, im Alter von 28 Jahren, hat er sich endlich seinen Jugendtraum erfüllt. Anstatt einer konventionellen Band hat sich Slowthai gemeinsam mit seinem Produzenten Dan Carey und seinem langjährigen musikalischen Begleiter Kwes Darko eine beeindruckende Riege an Gastmusiker*innen zusammengesucht, von Ethan P. Flynn über Jockstrap-Musiker Taylor Skye und Beabadoobee-Gitarrist Jacob Bugden bis zu Fontaines D.C. Und siehe da: auf „UGLY“ singt Slowthai genauso viel wie er rappt.

Auch die Songs klingen ungewohnt indie-rockig. „Sooner“ kommt wie ein alter The-Libertines-Song daher, während Gitarre und Basslauf von „Happy“ auch von den Strokes stammen könnte. Musikalisch ist „Tourniquet“ fast schon Indie-Folk – wenn sich Frampton nicht über die geschmackvollen Akustikgitarren und Pianos die Seele aus dem Leib schreien würde. Die Kontraste sind auf „UGLY“ stets auf die Spitze getrieben. Wenn Slowthai singt, dann wirkt seine Stimme oft sanft. Wenn er rappt, dann klingt er zügellos. In besagtem „Fuck It Puppet“ überschlägt sich seine Stimme wie in Danny Browns hysterischsten Momenten. Im Abschluss „25% Club“ offenbart er eine weiche Kopfstimme, auf die einige Singer-Songwriter neidisch sein könnten. Auf „UGLY“ scheint Slowthai im stetigen Kampf mit sich selbst, mit seinen selbstzerstörerischsten Impulsen und seinen liebevollsten Zügen. Diesem Kampf zuzuhören, ist nicht immer leicht, aber von Anfang bis Ende faszinierend. Immerhin geht diese selbstreflexive Schlacht scheinbar gut aus. Schließlich bedeutet der Albumtitel nicht einfach hässlich. Es ist ein Akronym: „U gotta love yourself.“

Veröffentlichung: 3. März 2023
Label: Method Records / Universal Music

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

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