Sly And The Family Stone – „There’s A Riot Goin‘ On“ (Album der Woche)

Bild des Albumcovers von „There's A Riot Goin' On“ von Sly And The Family Stone, das unser ByteFM Album der Woche ist.

Sly And The Family Stone – „There’s A Riot Goin‘ On“ (Epic))

Da zum Jahresende traditionell wenig neue Musik veröffentlicht wird, nutzen wir die Chance, den Blick nach hinten zu richten: Statt neuer Langspieler stellen wir wegweisende Alben vor, die 2021 ein Jubiläum gefeiert haben. In dieser Woche ist es „There’s A Riot Goin‘ On“ von Sly And The Family Stone, das in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden ist.

Wir schreiben das Jahr 1969. Sly And The Family Stone veröffentlichen ihr viertes und bis dahin kommerziell erfolgreichstes Album „Stand“. Die Funk- und Soul-Band aus San Francisco hatte sich bereits mit diversen Nummer-eins-Singles einen Namen als Hit-Maschine gemacht. Auf „Stand“ wurden sie dezidiert politisch, mit beißenden Songs à la „Don’t Call Me N*gger Whitey“ und dem aufmüpfigen Titeltrack. Doch die gesellschaftskritische Kante hielt Sly Stone und seine Kolleg*innen nicht davon ab, absolut lebensbejahende Psychedelic-Soul-Musik zu spielen. „Stand“ ist ein wahrlich strahlendes Album, allen voran die Hymnen „Everyday People“ und „I Want To Take You Higher“.

Zwei Jahre später. Sly And The Family Stone veröffentlichen ihr fünftes Album mit dem Titel „There’s A Riot Goin’ On“. Wenn „Stand“ eine trotzig gut gelaunte Party war, stellt „There’s A Riot Goin’ On“ den pulsierenden, kopfzerreißenden Kater dar. Die Songs dieses Albums, das im November 50 Jahre alt wurde, sind im Grunde genommen nicht weniger funky als die des Vorgängeralbums. Doch die Vibes sind andere. Der Schlagzeug-Groove wurde öfter als seltener gegen den stoischen Puls eines Drumcomputers ausgetauscht. Manche Songs erstrecken sich in langen, schier endlosen Loops, bis sie an ihrem eigenen Gewicht zu ersticken scheinen.

Nicht wütend, sondern müde

„Stand“ war mitunter ein sehr wütendes Album. Doch „There’s A Riot Goin’ On“ ist noch etwas anderes: müde. Keine resignierende Müdigkeit, sondern eine paranoide Erschöpfung. Es ist kein Zufall, dass die Musik so anmutet, als wäre sie von schlaflosen Menschen eingespielt worden. Schließlich wurde es von Sly Stone quasi im Alleingang aufgenommen, unter dem Einfluss diverser Psychopharmaka. Dieser Solotrip kam nicht von ungefähr: Im Kokain-Wahn hatte Stone einen großen Teil seiner Bandmitglieder vergrault. Wenn sie auf diesem Album zu hören waren, dann alleine im Studio mit Stone und nicht gemeinsam als Band – wenn sie nicht direkt durch Stones prominente Musiker-Freunde wie Billy Preston, Bobby Womack oder Ike Turner ersetzt wurden. Statt des organischen Live-Feelings, das die Vorgänger-LPs versprüht haben, ist „There’s A Riot Goin’ On“ ein Flickenteppich aus Overdubs, der Dank der aufnahmetechnischen Limitierungen des Jahres 1971 auch häufig mal ein bisschen ausfranst. Viele der Songs drohen jede Sekunde auseinanderzufallen.

Aber gerade das macht dieses Album so ungemein faszinierend. Songs wie das schleimig groovende „Just Like A Baby“ oder der die LP verstörend beendende, sieben Minuten lange Todesmarsch „Thank You For Talkin’ To Me, Africa“ sind flirrende Fieberträume, die bis heute nichts von ihrer nervösen Spannung verloren haben. In der Zeit seiner Veröffentlichung wurde „There’s A Riot Goin’ On“ durchwachsen rezipiert (ausgenommen die charttoppende Robo-Funk-Single „Family Affair“, deren Computer-Groove wie eine Blaupause für Giorgio Moroders spätere Disco-Exkursionen anmutet). Doch 50 Jahre später ist und bleibt es eines der anspruchsvollsten und experimentellsten Funk-Alben aller Zeiten.

Veröffentlichung: 1. November 1971
Label: Epic

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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