Yaeji – „With A Hammer“ (Album der Woche)

Cover des Albums „With A Hammer“ von Yaeji, das die Künstlerin mit einem großen Hammer in den Händen zeigt

Yaeji – „With A Hammer“ (XL Recordings)

„You bring the stress, we clean the mess.“ Das ist das Versprechen eines sogenannten „Rage-Rooms“ in Virginia Beach. Ein Ort, an dem man für begrenzte Zeit ohne moralische Bedenken diverse Gegenstände zerstören kann. So gibt es beispielsweise das Angebot „Tantrum Time“, bei dem innerhalb von zehn Minuten zehn gläserne Objekte und ein Elektro-Gerät mit Hammer und/oder Brecheisen zertrümmert werden dürfen. Solche „Wut-Räume“ waren im vergangenen Jahrzehnt ziemlich hip und sind seit ein paar Jahren auch in Deutschland buchbar. Die Philosophie dahinter: Wer (in kontrolliertem Maß) regelmäßig seine angestaute Wut herauslassen kann, ist ein gesünderer Mensch. Nicht ausgelebter Zorn kann sich wie ein psychologisches Magengeschwür festsetzen. Ein emotionales Gewicht, das auf Dauer viel Schmerz und Belastung verursachen kann.

Auch Kathy Yaeji Lee aka Yaeji weiß um das Gewicht nicht freigesetzter Wut. Es ist schließlich das große Thema ihres Debütalbums „With A Hammer“. In Interviews und im Pressetext spricht die US-amerikanisch-koreanische Künstlerin von jahrelanger angestauter Aggression, die sie im Enstehungsprozess dieser 13 Songs herauslassen wollte und konnte. „Aggression“ ist dabei eigentlich nicht das erste Wort, das beim Hören ihrer Musik in den Kopf kommt. Die bisherigen Songs, ob auf den ersten EPs, diversen Remixen für Acts wie Robyn, Charli XCX und Dua Lipa oder auf ihrem 2020er Mixtape „What We Drew 우리가 그려왔던”, waren introspektive House-Tracks. Mit einem Bein im Club und dem anderen im Kaminzimmer. Ihre Beats mögen durchaus druckvoll schieben, doch die Vibes sind zärtlich. Wie mag denn nun ein Wut-Album von solch einer Künstlerin klingen?

Den Kreislauf der Gewalt durchbrechen

Erst einmal hat Yaeji ihrem Hammer einen Namen gegeben. Hammer Lee heißt er und ziert sowohl das Albumcover als auch die begleitenden Musikvidoes. Anstatt mit diesem titelgebenden Werkzeug auf eine alte Mikrowelle einzudreschen hat Yaeji aber einen anderen Weg zur Katharsis gefunden. Denn wer von „With A Hammer“ wütendes Industrial-Gehämmer erwartet, wird enttäuscht sein. Ihre Tracks sind nämlich so verspielt und zart wie eh und je. Wenn nicht sogar noch zarter: „Submerge“ eröffnet die LP mit Flötenklängen und verträumten New-Age-Synths. Yaejis Stimme klingt gewohnt entspannt, ein unaufgeregtes Fast-Flüstern. Wenn der Beat zur Hälfte dropt, ist er gemütlich und nicht ballernd. Auch „For Granted“ startet im Dreampop-Modus – und selbst der später einsetzende Breakbeat klingt nicht stressig, sondern euphorisch. Nicht alle Songs von „With A Hammer“ sind so lieblich – wie zum Beispiel das von bedrohlichen Stolper-Beats angetriebene „Fever“ oder der verzerrte Acid-House-Refrain von „Michin“ – doch die durchgehende musikalische Stimmung ist versöhnlich.

Dabei ist es nicht so, dass es für Yaeji keinen Grund gäbe, wütend zu sein. Die Songs von „With A Hammer“ entstanden in einer Zeit von massiver politischer Instabilität, während der Black-Lives-Matter-Proteste und dem Ansteigen von rassistischer Gewalt gegenüber Asiat*innen im Jahr 2020. Doch dieses Album ist keine pure Protest-LP. Yaeji geht es stattdessen um den Glauben, dass wir gemeinsam den Kreislauf der Gewalt durchbrechen können. Dies zeigt sich einerseits in den zahlreichen Gastauftritten von Acts aus ihren beiden Heimatländern, wie dem aus Baltimore stammenden Produzenten Nourished By Time oder dem südkoreanischen Singer-Songwriter Oh Hyuk. „Isn’t it so weird how we learned to / Pass down what we didn’t want to?“, singt sie in „Done (Let’s Get It)“. „Isn’t it our mission in this life to / Break the cycles, to mend the cycles?“

Und auch in dem einen Song, in dem es explizit ums Zerstören geht, ist es kein egoistischer Akt. „Hand me over what’s been distressing you / I’ll smash it for you“, singt sie in „1 Thing To Smash“. Die Betonung liegt auf der zweiten Zeile, auf dem Zusammenhalt. Der psychologische Nutzen von Wut-Räumen und der ihnen innewohnenden Zerstörung ist übrigens wissenschaftlich umstritten. Das direkte Ausleben von Aggression hat nämlich das Potential, uns noch aggressiver zu machen. Gut, dass Yaeji einen anderen Weg wählt. Sie ergibt sich nicht blind ihrer Wut. Sie will etwas anderes: Transformation.

Veröffentlichung: 7. April 2023
Label: XL Recordings

Bild mit Text: Förderverein „Freunde von ByteFM“

Das könnte Dich auch interessieren:



Deine Meinung

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.