Afrobeats in der Diaspora

Screenshot aus dem Video zu Oyoyo von MegalohScreenshot aus dem Video zu „Oyoyo“ von Megaloh

In Paris nennen sie es Afro Trap, in Lagos und London Afrobeats. Auch in Berlin gibt es Künstler, die mit afrikanischen Rhythmen und Sounds experimentieren. HipHop und Dance Music flirten im Sommer 2016 vermehrt mit Afro-Referenzen – gerade in der europäischen Diaspora passieren spannende Innovationen.

Vielleicht war „Ojuelegba“ der Tune, mit dem alles anfing. Der junge nigerianische Sänger Wizkid schrieb den Song über sein heimatliches Viertel 2014, das Video erschien im Januar 2015. Sein Genre, das in Westafrika gerade groß wurde, nannte man mangels besserer Begriffe Afrobeats, doch mit Fela Kutis Afrobeat hat es wenig bis nichts gemeinsam. Aus traditionellen Rhythmen und Elementen aus HipHop, House, R&B und Dancehall bastelten junge westafrikanische Kids einen Sound, der sich von Dakar über Accra bis Lagos durch Handylautsprecher und Soundsystems verbreitete.

Ähnlich wie im jamaikanischen Dancehall arbeiten sie mit zeitgenössischen Elementen wie dem exzessiven Gebrauch der Autotune-Software, wie er aus dem amerikanischen HipHop und R&B bekannt ist. Gleichzeitig schimmern immer wieder traditionelle Klänge oder Rhythmen wie der Azonto aus Ghana durch, die dieses Afropop-Update neu und frisch klingen lassen. In Westafrika waren es in den letzten Jahren neben Wizkid vor allem Sänger wie Davido, Deekay, Runtown oder Kcee, die den Afrobeats-Sound prägten.

Auch US-Rapper Drake hörte „Ojuelegba“, ausgerechnet bei einem Besuch in London bei seinem neuen besten Kumpel Skepta, der nigerianische Wurzeln hat. Beiden gefiel der Song so gut, dass sie eigene Strophen auf den Beat schrieben und ihre Version als inoffiziellen Remix veröffentlichten. Der „Ojuelegba“-Remix wurde 2015 zum Sommerhit auch in den USA und Europa und verschaffte Wizkid und dem Afropop-Movement etwas Aufmerksamkeit. Inzwischen gibt es mit „One Dance“ einen noch erfolgreicheren Nachfolger, auf dem Drake die westafrikanischen Vibes mit UK-Funky-Rhythmen verschneidet.

Junge Künstler in der europäischen Diaspora sehen nun eine Möglichkeit, die Klänge der Heimatländer ihrer Eltern mit aktueller Musik wie HipHop und Trap zu verbinden. In London gibt es eine lebendige Afrobeats-Szene, die wiederum stark von der Dance-Music-Historie der Stadt beeinflusst ist, von UK Funky und Grime vor allem. Künstler wie Fuse ODG, Mista Silva oder Kwamz & Flave legten die Basis für eine neue Generation von Kids, die ihre Musik über das Internet an ein globales Publikum senden.

Auch in Paris passiert etwas Ähnliches: Hier vermischt der 21-jährige Rapper und Produzent MHD, selbst ein Kind von senegalesisch-guineischen Einwanderern, den Afropop-Sound mit Einflüssen aus amerikanischem Trap und modernem französischem HipHop und nennt das Ergebnis schlicht Afro Trap. Auf seinem Debütalbum, das im April erschienen ist, arbeitet er mit afrikanischen Künstlern wie Fally Ipupa oder Angélique Kidjo zusammen.

In Berlin gibt es noch keine zusammenhängende Afrobeats-Musikszene, doch einzelne Vorstöße in die aus Lagos, Paris und London vorgegebene Richtung: Der nigerianischstämmige Rapper Megaloh und sein ghanaischstämmiger Produzent Alan „Ghanaian Stallion“ Mensah haben vor Kurzem ihren Song „Oyoyo“ veröffentlicht, auf dem der Berliner Rapper Musa und der Sänger Patrice gastieren – beides Kinder von Einwanderern aus Sierra Leone. Der Beat greift Klangästhetik und Rhythmusfiguren der Afrobeats auf, das Video wurde bei einem Aufenthalt in Uganda gedreht.

Von Ghanaian Stallion stammt auch die Musik zur kontinentübergreifenden Afrobeats-Kollaboration „Sema“, einem Song, dessen Line-up von der Wohltätigkeitsorganisation Viva Con Agua nach Uganda eingeladen wurde: Neben Megaloh aus Berlin und Knackeboul aus der Schweiz singen auf dem Song auch noch Octopizzo aus Kenia, sowie Maro und Bobi Wine aus Uganda.

Lange genug haben die Kinder afrikanischer Einwanderer in der europäischen Diaspora ihre Herkunft versteckt und sich künstlerisch an amerikanischen Vorbildern orientiert. Da diese Vorbilder inzwischen selbst nach Afrika schauen, scheint es jedoch so, als werde der Sommer 2016 ganz im Zeichen der Afrobeats stehen.

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