Wenn das Virus viral geht – Corona als Pop-Phänomen

Ausschnitt aus dem Video „Zuhause“ von Fatoni.

Fatoni in seinem neuen Video „Zuhause“

Mit der in Zeiten der Corona-Pandemie gebotenen Selbst-Isolation kommt die Langeweile. Und mit ihr nicht selten die Inspiration. So erleben wir derzeit eine Welle an musikalischen Ergüssen zum Thema Coronavirus, die sich vor allem über die sozialen Netzwerke verbreitet. Das verwundert keineswegs, ist Corona doch die größte Sau seit langem, die durch das globale Dorf getrieben wird.

Dabei entwickelte sich das Besingen des Virus und seiner aktuellen Begleiterscheinungen innerhalb der letzten Wochen schnell zu einem Massenphänomen, das Musiker*innen und Promis ganz unterschiedlichen Kalibers erfasst. Die Ärzte (ausgerechnet!) sind genau so vertreten wie DJ iMarkkeyz mit einem überraschend erfolgreichen Trap-Mix von Cardi Bs spontanen Einlassungen zum Erreger der Lungenkrankheit Covid-19. Solidarisch gemeinte Lobeshymnen auf das Klinikpersonal, Appelle an die Bevölkerung, sich richtig zu verhalten und die globale Gesundheitskrise ernst zu nehmen, launig aufgepeppte Corona-Songs zur Aufmunterung und natürlich das obligatorische sinnarme Meme-Dada schwappen quer durch die Medienlandschaft und in unsere Ohren.

Appell vs. Ablenkung

Das Interessante dabei ist, dass viele Künstler*innen damit versuchen, für die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen und Kooperation zu sensibilisieren. Damit können sie dank ihrer großen Reichweite eine wichtige Funktion als Multiplikator*innen in der öffentlichen Gesundheitskommunikation offizieller Stellen erfüllen und einen Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten. Wie zum Beispiel der dominikanische Musiker Yofrangel, der in seinem Song „Corona Virus” über Ansteckungsgefahren und Symptome rappt. Hier wäre das Prädikat „löbliches Engagement” also angebracht. Zumindest wenn auch die richtigen Informationen verbreitet und glaubwürdig vermittelt werden. Hauptaufgabe von Künstler*innen bleibt zwar noch immer die Unterhaltung, doch der/die eine oder andere mag einen guten Rat vielleicht erst annehmen, wenn er vom Lieblingsstar kommt. Oder von irgendeinem YouTube-Sternchen.

Tracks wie „Hypochonder” von Edgar Wasser eröffnen wiederum ganz andere Perspektiven und greifen die Paranoia und den Rassismus auf, der asiatisch gelesenen Menschen in Zeiten der Pandemie entgegenschlägt, weil das Coronavirus sich von China ausgehend ausgebreitet hat. Um die endlose Langeweile der heimischen Isolation dreht es sich in „Zuhause” von Fatoni feat. Juse Ju, Mauli & Panik Panzer. Tracks wie diese (beide wurden auch in der ersten Ausgabe unserer Sendung DeutschRap gefeatured) bieten anderen Betroffenen willkommene Ablenkung und Unterhaltung und drehen den nicht enden wollenden Corona-Diskurs voll Wonne durch den kreativen Wolf.

Der oft humoristische Charakter der Songs zum Coronavirus mag angesichts der Ernsthaftigkeit der gegenwärtigen Situation irritieren. Jedoch ist Humor auch immer eine Coping-Strategie angesichts großer Gefahr und grassierender Verunsicherung. In diese Kategorie fällt auch der Song „Nudeln und Klopapier“, in dem Danger Dan (Antilopen Gang) deutsche Hamsterkaufgewohnheiten auf die Schippe nimmt.

Wo dabei die Grenzen des guten Geschmacks liegen? Klar ist, Künstler*innen bewegen sich mit satirischen Eskapaden schnell auf dünnem Eis. Wir leben schließlich in Zeiten, in denen selbst ein satirisches Kinderlied über die im Hühnerstall motorradfahrende Oma als Umweltsau einen veritablen Shitstorm auslösen kann. Wenn Opfer und katastrophale Zustände verhöhnt oder gefährliche Falschinformationen gestreut werden, dürfte sicherlich der Punkt erreicht sein, an dem realer Schaden angerichtet wird. Alles andere bleibt schlicht freier künstlerischer Ausdruck, der sich vor allem zwei Fragen gefallen lassen muss. Erstens: „Was will uns das sagen?” Und zweitens: „Wollen wir das hören?”

Bild mit Text: „Ja ich will Radiokultur unterstützen“ / „Freunde von ByteFM“

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