Shopping – „All Or Nothing“ (Album der Woche)

Cover des Albums „All Or Nothing“ von Shopping

Shopping – „All Or Nothing“ (Fat Cat)

Junge Bands, die sich irgendwie vage an Gang Of Four, Au Pairs orientieren gibt es derzeit wie Kiesel an der englischen Kanalküste. Beides super Bands, und prinzipiell sehr erfreulich, wenn sich auf sie bezogen wird. Allerdings schaffen es die Wenigsten, dem von den genannten Bands bereits Gesagten etwas Wesentliches hinzuzufügen. Shopping gelingt das jetzt schon auf dem vierten Album in Folge. Sie nehmen die Haltung und den Groove der Bands lediglich als gedankliche Grundlage, als Sprungbrett, von dem aus sie eigenständige Musik zur heutigen Zeit produzieren.

Die Bandmitglieder sind inzwischen von London nach Glasgow (Sängerin/Gitarristin Rachel Aggs und Sänger/Drummer Andrew Milk) bzw. Los Angeles (Sängerin/Bassistin Billy Easter) gezogen. Diese Trennung hat die Band offenbar kreativ beflügelt und alle mit einer Menge frischer Ideen zu den Aufnahmen erscheinen lassen. Manche mögen die ungezähmte Spontaneität der frühen Aufnahmen vermissen, aber der stärkere Fokus und die vielschichtigere Produktion tun der Band sehr gut.

Jazzy Disco-Punk

Diese Bewegung von der „raw power“ hin zum gezielten Schlag ist eine ganz bewusste, wie man schon an der Wahl der Produzenten sehen kann. Für das letzte Album holten sie sich Soul-Punk-Legende Edwyn Collins hinter das Mischpult, der für mehr Detailreichtum sorgte und gleichzeitig den Groove betonte. Nick Sylvester, Produzent von „All Or Nothing“, setzt diesen Weg fort. Obendrein ist das Songwriting der Band selbstbewusster und differenzierter geworden. Die vorab veröffentlichte Single „Initiative“ zeigte bereits das Potential dieser Zusammenarbeit: Die Klavierphrase in den Strophen kann man mit etwas gutem Willen als „jazzy“ bezeichnen, die Rhythmussektion treibt das Stück unnachgiebig voran und die Keyboard-Sounds verweisen mitunter auf die frühen 80er-Jahre, aber nicht auf die Szene aus der Au Pairs stammen, sondern auf den damaligen Italo-Disco-Pop und die New-Romantic-Bewegung. Genres, denen sich die meisten Punks nicht mit der Kneifzange genähert hätten.

Nach wie vor sagen Shopping von sich selbst, keine bewusst politische Band zu sein. Explizit politisch sind ihre Texte dennoch, einfach weil sie aus ihrer Perspektive über den Alltag als Marginalisierte (Queer/PoC etc.) schreiben, und dieser Alltag ist in fast jedem Augenblick politisch aufgeladen. Sie nutzen eben nicht das beliebte Identitätspolitik-Spiel, mit dem sich auch privilegierte weiße Mittelschichtskinder endlich mal einer Opfergruppe zugehörig fühlen können, ihre Kraft liegt darin, nicht das politische Bewusstsein angestrengt herauszukehren, sondern es als einen selbstverständlichen Lebensaspekt verinnerlicht zu haben. Sie singen über den Druck, den die kapitalistische Gesellschaft auf jeden Einzelnen ausübt, über den Abbau der Bürgerrechte und zunehmende Aggressivität der Menschen untereinander. So catchy wie auf „All Or Nothing“ waren Shopping noch nie.

Veröffentlichung: 7. Februar 2020
Label: Fat Cat

Bild mit Text: Förderveein „Freunde von ByteFM“

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